Zeit vor dem Bildschirm: Gift für Kinder?
Die tägliche Diskussion um Handy oder Spielkonsole kann für Familien ganz schön belastend sein. Doch welche negativen Auswirkungen hat es wirklich für unsere Kinder, wenn sie viel Zeit im digitalen Raum verbringen?
Fernsehen macht dick, Soziale Netzwerke depressiv, Online-Games aggressiv – zumindest wenn man den Medienberichten Glauben schenkt, die alle paar Wochen wegen neuer Hiobsbotschaften ihren pädagogischen Zeigefinger heben. Vergleicht man die empfohlene Bildschirmzeit mit jener des eigenen Nachwuchses kann einem mitunter ganz schön mulmig werden…
Kirche im Dorf lassen
Allerdings gibt es Grund zur Hoffnung: Das Royal College für Kinderärzte (RCPCH) hat mehr als 900 Studien analysiert, die sich mit dem Themenkreis Kind und digitale Mediennutzung auseinandersetzen. Das Fazit? Es ist alles gar nicht so schlimm. Offenbar gibt es kaum belastbare Beweise für den Zusammenhang von Bildschirmzeit und schlechterer Ernährung, Übergewicht, Depressionen, Hyperaktivität oder auch niedrigerem Selbstbewusstsein. Wichtig ist den Experten allerdings, dass die Bildschirmnutzung nicht Schlaf, Bewegung und Familienzeit ersetzt.
Die Tasten der Lebensmelodie
Auch das Institut Suchtprävention in Linz beschäftigt sich mit der Frage, wieviel Handy-Nutzung denn nun zu viel Handy-Nutzung sei. Peter Eberle leitet die Abteilung Schule, Familie und Kinder und ist für die Prävention problematischen Medienkonsums zuständig: „Wenn es in der Lebensmelodie für die Kinder nur mehr eine Taste gibt, und das ist jene der Bildschirme, dann ist das eindeutig zu wenig. Worauf die Eltern primär achten müssen, ist die Vielfalt im Leben ihrer Nachkommen zu erhalten.“ Wenn zu viel Zeit vor den Bildschirmen verbracht wird, würde oft vieles, das für die Entwicklung der Kinder notwendig sei, zu kurz kommen. „Kinder haben oft verlernt, ihre freie Zeit zu gestalten, wenn kein Handy vorhanden ist“, so der Experte.
Daher werden auch klare Bildschirmzeiten empfohlen: Vorschulkinder sollten gar nicht, oder maximal 15 Minuten vor dem Bildschirm sitzen. Volksschulkindern werden 45 Minuten pro Schultag, sechs Stunden in der Woche zugestanden, bei größeren Kids dürfen es dann schon etwa 10 Stunden pro Woche sein – all in.
Alternativen anbieten und in Beziehung bleiben
Dass sich das in der Praxis kaum ausgeht, wissen wohl so gut wie alle, die selbst Kinder oder regelmäßig mit ihnen zu tun haben. Eberle: „Wichtig ist, den Kindern Selbstverantwortung im Umgang mit den Medien beizubringen. Vor allem bei den Größeren ist das sehr gut möglich.“ Es geht aber auch darum, seinem Nachwuchs Alternativen anzubieten: „Setzen sie spannende Alternativangebote, zeigen sie Interesse an den Aktivitäten ihrer Kinder und bleiben Sie in Beziehung. Nur so bringen Sie sie auch weg vom Bildschirm.“
Zur Person
Mag. Peter Eberle ist Psychologe und leitet die Abteilung Schule, Familie und Kinder im Institut Suchtprävention in Linz.