Faszien: Das Netz des Lebens

Faszien sind eine Welt für sich – mit ungeahnten Fähigkeiten.

frau macht faszienuebungen
© UNIQA | Melina Kutelas

Nähme man einen menschlichen Körper und entfernte alle Organe, Muskeln und Knochen, bliebe ein zartes, milchiges Gebilde aus dünnen, bindegewebigen Häuten übrig – das myofasziale Netz.  

Freiheit und Halt

Diese Faszien umhüllen jeden einzelnen Muskel, jeden Knochen, jedes Organ und sogar die Nerven. Sie bilden einen dreidimensionalen Komplex mit beeindruckenden Eigenschaften. „Sie bieten zugleich Stabilität und Flexibilität, Freiheit und Halt. Sie passen sich unseren Bewegungen an und gehorchen doch einer universellen Gesetzmäßigkeit“, erklärt Chiaradina Cerweny. „Unser myofasziales System gibt uns eine stabile Form, die dennoch – jeden Moment und jeden Tag – durch unsere bewusste Wahl von Bewegung, Ruhe und einer Vielzahl anderer Einflüsse immer wieder aufs Neue beeinflusst und dadurch verändert werden kann.“ 

Einfluss auf Lymphe und Statik

Zwischen den Gewebeschichten der Faszien fließt die Lymphe, der Spediteur des Körpers. Sie bringt Nährstoffe zu den Zellen und transportiert Abbauprodukte fort. Jede Muskelbewegung unterstützt diesen Transport, fasziale Verklebungen behindern ihn. Psychischer Stress, Operationen, Schon- und Fehlhaltungen sowie Bewegungsmangel können Faszien „verkleben“. Als Folge funktioniert der Lymphfluss nicht mehr optimal, und auch die Spannungsverhältnisse des Körpers verändern sich. So kann beispielsweise eine verkürzte oder verklebte Wadenfaszie durch die Zuglinien des Körpers Einfluss auf den Rücken bis hinauf zu Schultern und Nacken haben, wo Schmerzen entstehen können. Um gesund und fit zu bleiben, heißt es also nicht nur, seinen Muskeln etwas Gutes zu tun, sondern auch speziell den Faszien. 

Fasziengesunde Ernährung

Das beginnt schon bei der Ernährung. Chiaradina Cerweny: „Unser Körper braucht vor allem natürliche und harmonisch mit der Natur hergestellte Nahrungsmittel und viel Wasser, um die extrazelluläre Matrix zu versorgen und Verklebungen vorzubeugen. Zum Aufbau und zur Regeneration der Faszien brauchen wir tierische oder pflanzliche Proteine, für Stabilität langkettige, komplexe Kohlehydrate aus Naturreis, Vollkornprodukten, Quinoa oder Hirse. Auf raffinierten Zucker und Zuckerersatzstoffe sollten wir möglichst verzichten. Ungesättigte Fette fördern die allgemeine Entzündungshemmung. Mikronährstoffe wie Kalzium, Kalium, Magnesium, Silizium und die Vitamine C und B6 unterstützen die Kollagenproduktion und helfen, die Faszien stabiler und elastischer zu machen.“ 

Abwechslungsreiche Bewegung

Der andere Schlüssel für gesunde Faszien ist Bewegung. Sie sollte wie die Ernährung vielfältig und abwechslungsreich sein. Chiaradina Cerweny: „Tiere sind optimale Lehrmeister. Wenn eine Katze längere Zeit ruhig gelegen ist, dehnt und streckt sie sich ausgiebig. Das ist ein natürlicher Übergang von einem Entspannungszustand zu einem Spannungszustand, bei dem das myofasziale Netzwerk aktiviert wird. So sollten auch wir uns in der Früh vor dem Aufstehen ausgiebig räkeln und strecken. Es gilt, stundenlange, starre Haltungen – etwa am Schreibtisch – so gut wie möglich dynamisch zu gestalten und durch vielfältige Bewegungsformen und Ausrichtungen im Raum auszugleichen. Unsere Faszien konstruieren, lernen und regenerieren sich durch unsere Körperhaltungen und Bewegungen, die wir in unserem Leben einnehmen beziehungsweise durchführen. Wie bei jeder guten Schulung sollte das so abwechslungsreich, freudvoll und achtsam passieren wie nur möglich!“ 

Die Sache mit der Rolle

Seit ein paar Jahren wird von Hobbysportlern ein Trainingsgerät gehypt, das Ärzte und Physiotherapeuten schon die längste Zeit kennen – die Faszienrolle. Mit ihr soll man unter Zuhilfenahme der Schwerkraft und des eigenen Körpergewichtes Verklebungen lösen können. „Die Faszienrolle hilft – abhängig von der genetischen Beschaffenheit des Gewebes – mehr oder minder temporär bei oberflächlichen Verklebungen und Rehydrierung der Faszien, kann aber nicht das ganze Fasziensystem im Verbund konstruktiv neu ausrichten. Da hilft nur aktive, vielfältige Bewegung oder alternativ passive, manuelle Behandlung, um eine dauerhafte, konstruktive Veränderung der Spannungszustände zu erzielen“, meint Faszien-Expertin Chiaradina Cerweny. 

Zur Person: 
Chiaradina Cerweny ist Schülerin von Paul Grilley und Yin-Yogalehrerin (RYT-500, ERYT-500 YACEP). Bei diesem ruhigen, fließenden Yogastil werden die einzelnen Posen im Durchschnitt fünf Minuten lang gehalten, wodurch die Faszien im Verbund besonders stimuliert werden.  

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