7 Tipps für nachhaltiges Bauen und Wohnen

Ob Neubau oder Renovierung: Welche Baumaterialien punkten ökologisch? Und wie schütze ich mein Zuhause angesichts der Klimaerwärmung vor Hitze? 

Hammer, Nägel und Schutzhelm auf Holzbrettern

Bauen, Renovieren, das Zuhause umrüsten – das ist mitunter eine Wissenschaft für sich. Man muss Architekt:innen und Bauträgern vertrauen, aber viele Entscheidungen hat man auch selbst in der Hand. Wir haben bei Karin Stieldorf, Expertin für Nachhaltiges Bauen an der TU Wien, nachgefragt. Folgende Punkte gilt es für ein nachhaltiges Zuhause und ein angenehmes Raumklima trotz steigender Außentemperaturen zu überlegen. 

1. Den „richtigen“ Bauplatz für die Lebenssituation wähle

Nachhaltig bauen heißt nicht nur, nachwachsende Rohstoffe oder recycelbare Materialen zu verwenden (siehe unten). Auch der Bauplatz spielt eine Rolle. Als nachhaltig in Sachen Bauplatz gilt, bereits bestehende Ressourcen um- oder auszubauen bzw. zu sanieren. Wenig nachhaltig ist, auf noch unverbauter Fläche einen Neubau zu errichten. „Im Schnitt wird in Österreich jedes Jahr eine Fläche in der Größe von Eisenstadt neu verbaut, so Expertin Karin Stieldorf. „Bei Neubauten am Stadtrand sollte man sich die Frage stellen: Muss ich dann lange Strecken mit dem Auto zur Arbeit zurücklegen – und verursache ich dadurch CO2-Emissionen – oder liegt die Arbeit in Fußnähe bzw. ist sie gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen?“ 

2. Die Wohnfläche nachhaltig anlegen

„Prinzipiell geht der Trend zu kleineren Wohneinheiten, so Stieldorf. Bei Neubauten im städtischen Bereich wären ca. 25 Quadratmeter pro Person das Ziel. „Auch eine Möglichkeit ist, flexible Grundrisse zu schaffen,“ sagt die Expertin weiter. „Man schafft z.B. Wohneinheiten, die man im Bedarfsfall trennen oder wieder zusammenschließen kann.

3. Nachwachsende oder recycelte Baustoffe verwenden

„Vor allem das Bauen mit Holz ist wieder im Vormarsch – und es kann bei einem etwaigen Abriss oder Umbau wieder recycelt werden, indem man etwas Neues daraus schafft oder den Rohstoff am Ende verheizt, so Karin Stieldorf. „Lehm kommt heutzutage häufig als Verputz zum Einsatz: Er neutralisiert unangenehme Gerüche und lässt sich gut in Verbindung mit Holz nutzen, denn Lehm entzieht dem Holz Feuchtigkeit, wenn es zu feucht ist – und gibt diese wieder zurück, wenn das Holz zu trocken wird.“ Als ökologische Dämmstoffe werden Blähton, Seegras (enthält einen natürlichen Brandschutz), Wiesengras sowie Dämm-Matten aus Flachs, Hanf, Holz- und Kokosfasern oder Kork verwendet. Man kann auch zu hochabsorbierenden Mineraldämmplatten (Kalzium-Silikat) oder zerkleinertem Vulkangestein (Perlit) greifen. Weiters gibt es recycelte Dämmstoffe, wie z.B. Zelluloseflocken, die aus Altpapier hergestellt werden. 

4. Auf Umweltzeichen beim Bauen achten

Stieldorf rät: „Beim Bauen und Renovieren sollte man darauf achten, ob die Teile am Ende wieder leicht zerlegbar und recycelbar sind.“ Auch Öko-Gütesiegel – z.B. für Wandfarben, Bodenbeläge, Putze, Mauersteine – helfen, nachhaltige und schadstoffarme Baustoffe besser zu erkennen. 

Gut zu wissen

Anerkannte Gütesiegel für Österreich sind unter anderen das Österreichische Umweltzeichen und das IBO-Prüfzeichen (Prüfzeichen des Österreichischen Institut für Baubiologie und -ökologie). Die „Euro Blume ist das offizielle Umweltzeichen der EU. Das „natureplus-Umweltzeichen ist ein internationales Gütesiegel für nachhaltige Bauprodukte und fasst mehrere Umweltzeichen zusammen. 

5. Auf kühlende Bau-Strukturen achten 

Angesichts des Klimawandels stellt sich die Frage: Wie halte ich meinen Wohnraum kühl? Und was kann man sich von wärmeren Klimazonen abschauen? „Ein Verfahren, das oft zum Einsatz kommt, ist die Erdkühlung, erklärt Stieldorf. „Dabei wird die konstante Temperatur im Erdreich genutzt, um die Raumtemperatur zu senken.“ Hintergrund: Im Boden liegt die Temperatur meist konstant zwischen 8 und 15 Grad Celsius. Erdkühlsysteme nutzen diesen Umstand, um die Zuluft für ein Haus abzukühlen, bevor sie in den Innenraum gelangt. Und wenn so ein System nicht machbar ist? „Dann ist es wichtig, massive und wärmespeichernde Bauteile im Gebäude vorzusehen.“ Also Mauerwerk oder ganze Wände aus massivem Baustoff wie z.B. Beton, die Wärme während der heißen Mittagsstunden gut aufnehmen, in der Nacht abgeben und das Haus oder die Wohnung so – in Verbindung mit guter Beschattung - vor Überwärmung schützen. Als Boden sind ein Estrich oder ein Steinboden vorteilhaft. „Auch Photovoltaik wird künftig für den Eigengebrauch mehr zum Einsatz kommen, um im Sommer zu kühlen.“ 

Gut zu wissen

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6. Smarte Fenster gegen Überhitzung wählen

Viel Tageslicht, aber trotzdem soll es im Sommer nicht zu heiß werden?  Hier kommt der sogenannte „g-Wert“ bei Fenstern ins Spiel, sprich: der Gesamtenergiedurchlassgrad. Dieser sagt aus, wieviel Wärmeenergie von außen durch die Verglasung des Fensters nach innen dringt. Je kleiner der g-Wert ist, desto besser der Hitzeschutz des Fensters. „Obendrein gilt es, für eine ausreichende Verschattung zu sorgen, so Stieldorf. Dachgeschosse können unangenehm warm werden, weil etwa das Dach zu wenig gedämmt ist und es eine große Aufprallfläche für die Sonne bietet. Auch Zimmer Richtung Osten und Westen heizen sich stärker auf, weil sie direkter und intensiver von der aufgehenden bzw. untergehenden Sonne bestrahlt werden. „Für Osten und Westen ist eine vertikal schwenkbare Beschattung ideal, so Stieldorf. Außenliegender Sonnenschutz – wie Rollläden – beugen Hitzeansammlung besser vor als innenanliegender Schutz, da Sonnenstrahlen gar nicht erst auf das Glas auftreffen.

7. Hitzeschutz daheim ohne Baumaßnahmen

Gibt es keine Möglichkeit oder kein Budget, baulich etwas in Sachen Hitzeschutz zu verändern, dann helfen folgende Strategien bei hohen Temperaturen:

Strategie 1: Nächtliches Querlüften, indem man einen kontinuierlichen Luftstrom von einer Seite der Wohnung oder des Raumes zur anderen schafft. Dabei ist es ratsam, Fenster oder Türen auf der windabgewandten Seite weit zu öffnen und auf der windzugewandten Seite nur leicht zu öffnen. 

Strategie 2: den Wohnraum untertags abdunkeln. „Hierzulande herrscht der Irrglaube: Wenn ich das Fenster untertags weit öffne und gut durchlüfte, hilft das gegen die Hitze. Aber wir sollten von den Menschen im Mittelmeerraum lernen, die schon am Vormittag die Vorhänge oder Fensterläden schließen und sie erst spät am Abend wieder öffnen.“ 

Zusammengefasst

Nachhaltiges Bauen erfordert vielschichtiges Denken: Es geht um die Wahl des richtigen Bauplatzes, die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen wie Holz, Flachs, Blähton & Co., Baustoffe mit Umweltzeichen. Für den Hitzeschutz sollte man auf kühlende Baustrukturen, ausreichende Verschattung und Fenster mit niedrigem g-Wert setzen.

Karin Stieldorf © privat
Karin Stieldorf © privat


Zur Person:

Dr. Karin Stieldorf ist Leiterin des „Universitätslehrgangs Nachhaltiges Bauen“ an der Technischen Universität Wien. Sie hat mit Studen:innen das preisgekrönte LISI Haus entwickelt (LISI steht für „Living Inspired by Sustainable Innovation) – ein Bau der zum Großteil aus nachwachsenden Rohstoffen und ökologischen Materialien besteht. 

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