Midlife ohne Crisis
In der Lebensmitte beginnen viele Menschen, ihr Leben neu zu ordnen. Was hat es mit der sogenannten Midlife Crisis auf sich?
Wenn man auf die Lebensmitte zusteuert, verändert sich so manches: Körper, Fitness, Stimmung... Oft sind auch die Kinder bald oder schon außer Haus. Dazu kommt die hormonelle Umstellung: Andropause beim Mann und Menopause bei der Frau.
Viele Menschen ziehen jetzt erste Bilanz und fragen sich, was sie bislang womöglich versäumt haben und was in ihrem Leben noch passieren soll.
Elke Kroißenbrunner, Diplomsozialarbeiterin und Systemische Familienberaterin weiß, dass man in dieser Lebensphase ein Gefühl der Unzufriedenheit entwickeln kann: „Oft wird festgestellt, dass aufgrund des fortgeschrittenen Alters nicht mehr alles möglich ist – dass viele Dinge, die man sich einmal gewünscht hat, nicht mehr realisiert werden können.“ Obwohl diese Krise meist Männern zugeschrieben wird, sei dies bei Frauen gleichermaßen der Fall.
Die Chance der Reflexion
Die Beraterin sieht dies allerdings auch als Chance – in dieser Zeit sei besonders viel Reflexion nötig: „Man sollte bewusst mit möglichen Veränderungen umgehen und an sich selbst arbeiten. Nicht zu vergessen: Am Weg dorthin bereits einen guten Umgang mit sich selbst pflegen.“
Besonders wichtig sei es in dieser Lebensphase, jene Dinge auszuspüren, die jetzt erst so richtig gut sind, die jetzt Lebensfreude bringen: Sex, zum Beispiel. Weil man den eigenen Körper viel besser kennt und weiß, was man möchte. Oder auch einfach die Tatsache, dass man keinen Babysitter mehr braucht, wenn man abends mal spontan ausgehen möchte. Dass man vieles schon erlebt und überlebt hat – und sich daher nicht mehr über alles so furchtbar aufregen muss. Diese gewisse Gelassenheit, die sich mitunter in Anbetracht von Alltags-„Aufregern“ einstellt…
Blinde Flecken aufzuspüren und anzunehmen sei aber ebenso wichtig.
Kroißenbrunner: „Besonders Frauen sind häufig davon betroffen, dass durch die lange Kinderbetreuungszeit und Doppelbelastung manche Teile der Persönlichkeit verloren gehen – Hobbys werden aufgegeben. Bei Auszug der Kinder fallen die sogenannten Empty Nesters dann in eine Leere und müssen erst wieder lernen, in der neu gewonnenen Zeit Erfüllendes zu unternehmen.“
Was bin ich mir selbst wert?
Den Blick auf das Positive zu richten ist eine lebenslange Aufgabe, die über schwierigere Zeiten hinweghelfen kann – so auch in der Midlife-Crisis. Es kann hilfreich sein, am Ende des Tages eine Bilanz zu ziehen und sich zu fragen, was heute Schönes passiert ist oder was einem gelungen ist – etwa mit einem Tagebuch.
„Manche Menschen verspüren zwischen etwa 40 und 50 den Drang, noch einmal etwas Neues erleben zu wollen. Auch außerhalb der Partnerschaft“, so die Familientherapeutin. Dies hänge auch damit zusammen, dass sich in dieser Zeit Beziehungen oftmals verschlechtern – bemerkt oder unbemerkt. „Wichtig ist hier immer die Frage: Was bin ich mir wert, was will ich wirklich? Und was ist mir die Beziehung wert?“
Ab 50 steigt die Zufriedenheit
Wenn man über das Älterwerden, die ersten Falten und graue Haare jammert, kann einem auch folgendes Wissen Auftrieb geben: Forschungen und Statistiken besagen, dass ab dem 50er die Zufriedenheitskurve wieder ansteigt und – abhängig von der gesamten Lebenssituation – eine glückliche und zufriedene Lebensphase beginnen kann.
Zur Person
Elke Kroißenbrunner ist Diplomsozialarbeiterin und Systemische Familientherapeutin.