Gesundheit anders gedacht – Was ist Resilienz?
Teil 2 einer dreiteiligen Serie mit Psychotherapiewissenschafterin Mag. Dr. Dr. Lisbeth Jerich.
Resilienzworkshops, Resilienzratgeber oder Resilienztrainings – das Angebot boomt. Es scheint, als hätte man eine neue Superkraft zur Bewältigung von Stress und Krisen entdeckt. Ist dem tatsächlich so?
Ursprünglich stammt der Begriff Resilienz aus der Entwicklungspsychologie und bezeichnete die Fähigkeit von Kindern, sich trotz widriger Lebensumstände gut zu entwickeln. Heute versteht man darunter nicht nur die seelische Widerstandskraft eines Menschen, sondern auch seine Fähigkeit, flexibel auf wechselnde Herausforderungen zu reagieren und mit stressreichen Situationen gut fertig zu werden.
Geschwisterpaar: Resilienz und Stress
Wer von Resilienz spricht, sprich daher stets auch von Stress. Lisbeth Jerich: „Stress ist mittlerweile zu einem weitverbreiteten Gesundheitsproblem geworden, welches mit unserem modernen, schnellen Lebensstil und unserer hoch technisierten Umwelt einherzugehen scheint. Charakterisierungen wie High-Stress Culture oder Age of Stress zeigen, wie eng die Verknüpfung unseres modernen Lebens mit diesem Phänomen angesehen wird. Dabei ist Stress so alt wie das Leben auf diesem Planeten selbst. Schon seit Urzeiten ist er ein Teil von uns und kann sogar in Pflanzen und einzelnen Zellen nachgewiesen werden. Die Stressforschung dagegen ist noch recht jung und im allgemeinen Sprachgebrauch findet der Begriff Stress erst seit den 1970er Jahren vermehrt Verwendung.“
Geschwisterpaar: Resilienz und Achtsamkeit
Wie Studien ergeben, zeigt das Gehirn von resilienten Menschen weniger Aktivität im orbifrontalen Cortex, jenem Gehirnareal, das zuständig ist für Bewertungen, Entscheidungsfindungen, kurzfristige und langfristige Planung. Vereinfacht gesagt, machen sich resiliente Menschen weniger Gedanken um die Zukunft und leben stärker im Hier und Jetzt.
Ein wichtiges Mittel, um diese Fähigkeit zu stärken, ist Achtsamkeit. Lisbeth Jerich: „Immer, wenn wir den Stresskreislauf in Gang setzen, befinden wir uns im sogenannten ‚Autopilotmodus‘, das heißt wir sind in Gedanken. Unbewusste Gedanken und Glaubenssätze wie Sei perfekt!, Funktioniere!, Sei kein Versager!, oder Mach es anderen immer recht! führen zu negativen Emotionen (wie sich überfordert, minderwertig oder ängstlich fühlen) und destruktiven Verhaltensweisen."
Lisbeth Jerich weiter: „Mithilfe von Achtsamkeit können wir den Stress-Kreislauf an jeder Stelle wirksam unterbrechen. Achtsamkeit hilft uns dabei, zu unseren Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen eine gesunde Distanz einzunehmen. Indem wir lernen, vom Autopilotmodus in den Achtsamkeitsmodus umzuschalten, verändern wir unsere unbewusste Daseinsweise in wache Präsenz. Wir erhalten einen tieferen Einblick in unsere typischen Reaktionsweisen auf alltägliche Stresssituationen und erweitern dadurch unseren Handlungsspielraum.“
S-T-O-P …. Eine Achtsamkeits-Übung für den Alltag
Mit dieser kleinen Übung lässt sich bewusst innehalten, den Stresskreislauf wirksam durchbrechen und vom Autopilotmodus in den Achtsamkeitsmodus wechseln.
- S: Stopp! Wir halten bewusst an.
- T: Take a deep breath. Indem wir einmal tief durchatmen, kommen wir in Kontakt mit der Gegenwart.
- O: Opening. Wir öffnen uns dem, was in diesem Moment geschieht.
- P: Proceed. Wir machen mit genau dem weiter, was uns jetzt als wichtig und richtig erscheint.
Zur Person:
DDr. Lisbeth Jerich ist ehemaliger Tennisprofi, promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin, promovierte Psychotherapiewissenschaftlerin und approbierte Psychotherapeutin mit der Fachausrichtung Verhaltenstherapie. Als Gründerin und Leiterin des Forschungs- und Beratungsinstituts für Salutogenese und gefragte Expertin für psychische Gesundheit setzt sie nicht nur im Bereich der Wissenschaft und Forschung neue Standards, sondern zeigt auch in der praktischen Arbeit mit Ihren KlientInnen das Potential psychotherapeutischer Interventionen jenseits der Symptomfreiheit auf. Ihr Arbeitsmotto: “Psychotherapeutin zu sein bedeutet für mich weit mehr als nur Verhaltensstörungen und Leidenszustände zu kurieren. Oberstes Ziel meiner Interventionen ist es, die Seele, den Verstand und das Gemüt meiner KlientInnen sorgfältig auszubilden und sie dabei zu unterstützen einen gesundheitsbewussten Lebensstil zu entwickeln.“