Pflege daheim – das sollte man wissen

Einen Angehörigen oder nahstehenden Menschen zu pflegen ist eine Herausforderung, die viele Fragen aufwirft.

Zwei Menschen halten sich an den Händen

In Österreich werden acht von zehn Pflegebedürftigen von ihren Angehörigen oder ihnen nahestehenden Menschen gepflegt. Die Gründe dafür sind vielfältig und individuell, wie die diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin Astrid Pfeffer, die das „Netzwerk für pflegende An- und Zugehörige“ in Wien leitet, erklärt. Das Netzwerk bietet eine Anlaufstelle für pflegende Angehörige (Verwandte/Familie) und Zugehörige (nicht verwandte, aber nahestehende Personen, z.B. Freund:innen). „Grundsätzlich ist es aber der Wunsch der meisten Menschen, in den eigenen vier Wänden zu leben“, weiß die Expertin.

Zusätzlich spielen Motive mit wie: 

  • Verantwortung: Man fühlt sich für seine Angehörigen verantwortlich.
  • Selbstverständlichkeit: Eine Pflegeleistung zu delegieren, ist traditionell nicht verankert.  fällt im traditionellen Denken oft schwer.
  • Dankbarkeit: Man möchte seinen Liebsten etwas an Liebe und Fürsorge zurückgeben.
  • Soziale Beziehungen: Die Pflege wird übernommen, weil der Mensch einem nahesteht.
  • Mangel an Alternativen: Pflegeeinrichtungen sind finanziell schwer leistbar oder die räumliche Distanz ist zu groß.  

Langsamer Übergang

Die meisten pflegenden Angehörigen erleben, dass sich der Alltag mit der pflegebedürftigen Person schleichend verändert. Aus Handreichungen wird Unterstützung wird Pflege. Um eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation zu machen, können folgende Fragen helfen: 

  • Was kann noch selbst bewältigt werden?
  • In welchen Bereichen wird Hilfe benötigt?
  • Wie klappt es mit der Haushaltsführung?
  • Wie ist die Mobilität?
  • Wie steht es mit der Versorgung?
  • Wie mit der Körperpflege?
  • Können Termine selbständig wahrgenommen werden?
  • Können Entscheidungen auch betreffend Ämtern, Bankgeschäften, Versicherungen etc. selbständig getroffen werden?
  • Wer steht als zusätzliche Unterstützung in Haus, Nachbarschaft oder Freundeskreis zur Verfügung?
  • Welche professionelle Unterstützung kann in Anspruch genommen werden?

Plötzlich Pflegefall

Anders verhält es sich, wenn Krankheit oder Unfall Menschen von einem Moment auf den anderen zum Pflegefall machen. Auch in solchen Situationen wird die Pflege zum Großteil von nahestehenden Menschen übernommen. Pfeffer: „Der Pflegebedarf eines nahestehenden Menschen wirft viele Fragen auf und ist oft verbunden mit Sorgen und Ängsten. Zu Beginn wird man sicher einmal schauen müssen, welcher Bedarf besteht und welche Pflegeform, also ob zuhause oder stationär, für den Betroffenen überhaupt sinnvoll und möglich ist.“

Professionelle Unterstützung in der häuslichen Pflege gibt es durch viele mobile Dienste, wie zum Beispiel Besuchs- und Begleitdienste oder mobile Hauskrankenpflege. Ebenso hilfreich ist es, sich Wissen zu finanziellen Beihilfen wie dem Pflegegeld zu holen. Auch gilt es abzuwägen, ob die:der Betroffene noch in der Lage ist, selbst Entscheidungen zu treffen oder wenn das nicht mehr möglich ist, eine Sachwalterschaft oder Vorsorgevollmacht zu veranlassen. „Letztere wird beispielsweise für finanzielle Belange eingerichtet und ist erst dann wirksam, wenn sich der Gesundheitszustand verändert und der Betroffene nicht mehr allein für sich entscheiden kann“, ergänzt die Expertin. 

Pflege ist weiblich

Laut einer Studie des Sozialministeriums zur Angehörigenpflege aus dem Jahr 2018 sind 73 Prozent der pflegenden Angehörigen in Österreich weiblich, 27 Prozent männlich. Damit ist der Anteil der Frauen in der Pflege etwas zurückgegangen – 13 Jahre zuvor wies eine Studie die das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen in Auftrag gab noch 79 Prozent Frauenanteil aus. Dennoch: Weiterhin sind sie es, welche die Hauptlast tragen. Häufig leben sie damit in einer Doppel- oder Dreifach-Belastungssituation, weil sie neben Familie und Job zusätzlich die häusliche Pflege managen. 

Überforderung vorbeugen

Die Pflege von An- und Zugehörigen kann Pflegende an ihre eigenen Grenzen bringen und zu Konflikten führen. Daher ist es hilfreich, im Vorfeld Vereinbarungen zu treffen, die klären, in welchem Ausmaß und bis zu welcher Grenze eine Betreuung vorstellbar ist und was die jeweiligen Erwartungen sind. Denn selbst im besten Fall können bei der Betreuung durch Angehörige unterschiedliche Interessen und Wünsche aufeinanderprallen und Konflikte entstehen. Pfeffer: „Einen An- oder Zugehörigen zu pflegen, kann herausfordernd sein und auch überfordern. Oft brauchen die pflegenden Personen Zeit zum Krafttanken, die sie aber nicht haben. Umso wichtiger ist es, Angebote wahrzunehmen, die unterstützen und für den Pflegealltag stärken.“ Ganz wichtig ist die Selbstfürsorge: Nur wer auf sich gut schaut, kann für andere da sein

Astrid Pfeffer
© FSW

Zur Person

Astrid Pfeffer ist diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und lebt in Wien. Nach mehrjähriger Tätigkeit im mobilen und stationären Bereich weiß sie genau um die Sorgen und Herausforderungen pflegender An- und Zugehöriger. Im „Netzwerk für pflegende An- und Zugehörige“, ein Projekt des Fonds Soziales Wien (FSW), fließt diese Erfahrung nun ein: Gemäß ihrem Motto „Mut bedeutet, es dennoch zu tun – vor allem, wenn’s dir wichtig ist“, unterstützt sie mit ihrem Team genau dort, wo viele Betroffene nicht mehr weiterwissen.

Unterstützungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige


Kontakt

Reiseversicherung