Mehr Flow: Was uns Teamsport bringt
Fit halten können wir uns auch, wenn wir einsam unsere Runden ziehen - im Wasser oder zu Lande. Lustiger ist Sport aber allemal in Gesellschaft. Was bringt uns Teamsport sonst noch?
Das Portal „World Atlas“ hat ein weltweites Top-10-Ranking der beliebtesten Sportarten auf Basis der Publikumszahlen im TV und bei den Live-Events erstellt. Fußball (4 Milliarden Fans) landet wenig überraschend auf Platz eins. Gefolgt von Cricket (2,5 Milliarden) und Feldhockey (2 Milliarden). Mit Volleyball, Basketball, Baseball und Rugby finden sich vier weitere Gruppensportarten unter den Top 10. Teamsport ist also offensichtlich besonders attraktiv. Sportwissenschaftler und Psychologe Thomas Wörz erklärt uns, welche Benefits Teamsportarten außerdem für unsere Persönlichkeitsentwicklung haben.
Aktivität in freier Natur, gemeinschaftliche Hobbys und geselliges Beisammensein - all das tut Groß und Klein gut. Neue Hobbys und Vereinsaktivitäten helfen dabei, soziale Kontakte zu knüpfen und fördern das Gefühl von Zugehörigkeit. Die gemeinsame Bewegung im Freien mindert Stress und depressive Verstimmungen und erzeugt ein Gefühl von Verbundenheit. Sonnenlicht bewirkt zusätzlich einen „Gute-Laune-Boost“ und die vielen Sinneserfahrungen - von Gerüchen, Körperkontakt, Momenten des Schweigens - berühren uns buchstäblich und werden im Körper abgespeichert.
Gemeinsam in den Flow kommen
„Wenn man es schafft, als Team in einen Takt, einen Rhythmus zu kommen, kann man eine Art Trancezustand erreichen, in dem vieles wie von selbst geht und jeder sein gesamtes Potenzial ausschöpft“, erklärt Wörz: „Diesen Team-Flow zu erreichen, ist im Mannschaftssport immer das oberste Ziel.“
Beim Gruppensport gilt es, dieses eine Ziel zu verfolgen, sei es für das Finale einer Fußball-Weltmeisterschaft oder für ein Teambuilding mithilfe einer Funsportart wie „Bubble Soccer“, bei der die Teilnehmer:innen wie riesige Gummibälle durch die Gegend kullern: „Der Anreiz geht über das Spiel selbst und funktionieren kann das nur, wenn die Lust am gemeinsamen Tun, am Abenteuer, der entscheidende Faktor ist“, erklärt Wörz.
Laut Jörg Matthes, Professor für Kommunikationswissenschaft am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, hat Sport „eine wichtige Funktion für die soziale Identität von Menschen“. Es geht nicht nur um die sportliche Leistung, sondern auch um die Identifikation mit einem Land, einer Region, einer Stadt, Mannschaft oder Person. Der Sport steht somit für etwas. Matthes: „Schließlich schafft Sport Gemeinschaft. Damit ist nicht nur gemeint, dass man mit anderen über Sport reden kann, also mitreden kann. Sondern es geht auch darum, Teil einer größeren Gemeinschaft, einer Anhängerschaft zu sein, wie das eben bei Fans der Fall ist.“
Mix verschiedener Persönlichkeiten
Um den gewünschten Team-Flow zu erreichen, ist die Zusammensetzung der Gruppe entscheidend. Denn natürlich ist auch ein Team letztlich eine Mischung verschiedenster Einzelpersönlichkeiten – und da macht es einen enormen Unterschied, ob ein:e Leader:in Positives oder Negatives ausstrahlt. Denn beides kann im Team eine Kettenreaktion auslösen und entweder in einen euphorischen Spielrausch oder zu einem ernüchternden Kater führen.
Im Spitzensport wird die Flow-Unterbrechung oft bewusst herbeigeführt. Bei Sportarten mit Time-Outs dienen diese letztlich nur dem Zweck, den Spielfluss der anderen zu unterbrechen. Im Fußball, wo es keine Time-Outs gibt, erlebt man oft, dass einzelne Spieler:innen vermeintlich aus dem Nichts einen Konflikt anzetteln. Dabei gilt es, dem Flow der Gegner:innen mit anderen Mitteln Einhalt zu gebieten, wenn die spielerischen Fähigkeiten dafür nicht ausreichen.
Lebenslektion und Showbühne
Teamsportarten sind eine gute Lebensschule. Sie bieten die Möglichkeit, uns in Empathie, Konfliktmanagement und vor allem Wertschätzung der Fähigkeiten anderer weiterzuentwickeln. Das gilt auch für das hobbymäßige Ausüben von teilweise skurril anmutenden „new games“, die sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten etabliert haben.
„Es geht bei solchen Sportarten um die Freude an der Selbstverwirklichung, und das ist ein wichtiger Selbstwertfaktor“, erklärt Wörz: „Und es geht da, wie natürlich auch beim professionellen Sport, auch um die Resonanz mit dem Publikum. Man betritt dabei eine Art Showbühne, und wenn man den Team-Spirit so bündeln kann, dass man in den Flow kommt, rockt man diese Bühne.“
Die Voraussetzung bleibt für den Sportwissenschaftler und Psychologen aber, dass dabei weder überzogener Erfolgsdruck, noch Angst im Spiel sein dürfen: „Das würde blockieren.“ Wenn aber die Freude an der Sache dominiert, können wir selbst ein bisschen wie Harry Potter werden, meint wohl auch Wörz, wenn er sagt: „Dieser Teamflow kann so etwas werden wie eine magische Zusatzkraft.“
10 Funsport-Inspirationen zum Ausprobieren
1. Boccia…ist ein bekanntes Gruppenspiel, bei dem die Spieler:innen versuchen, die eigenen Kugeln möglichst nah an eine kleine Zielkugel zu schießen.
2. Bossaball…vereint Fuß- und Volleyball. Dabei treten zwei Teams auf Trampolin-Spielfeldern, die durch ein Netz in zwei Hälften getrennt sind, gegeneinander an.
3. Paddle-Tennis…beschreibt einen Mix aus Tennis und Squash, wobei immer zu viert, in jeweils zwei Doppel gegeneinander gespielt wird.
4. Quidditch…entspringt der „Harry Potter“-Saga, vereint Elemente aus Rugby, Handball und Dodgeball und wird mit einem Besen zwischen den Beinen gespielt.
5. Fußballgolf…wird ausschließlich im Freien, auf Golfplatz-ähnlichen Anlagen gespielt. Der Ball wird mit dem Fuß in ein zuvor festgelegtes Loch oder Netz gekickt.
6. Softball…ist eine von Frauen dominierte Sportart, bei der die Bälle größer und die Schläger dünner und leichter ausfallen als beim klassischen Baseball.
7. Ultimate Frisbee…ist ein Laufspiel, bei dem sich zwei Teams ein Frisbee, ohne damit in der Hand zu laufen, so lange zupassen, bis dieses in der gegnerischen Endzone gefangen wird.
8. Unterwasser-Hockey…wird unter Wasser auf dem Beckenboden mithilfe von
30 cm langen Schlägern und einem bleiernem Puck gespielt.
9. Roller Derby…ist ein von Frauen ausgeübter Vollkontaktsport auf Rollschuhen, bei dem zwei Teams auf einer ovalen Bahn gegen den Uhrzeigersinn fahren und versuchen zu punkten, indem das gegnerische Team überholt wird.
10. Bubble Soccer…wird mit transparenten, körperumhüllenden Bällen gespielt, wobei mit einem herkömmlichen Ball in das gegnerische Tor getroffen werden soll.
Zur Person
Dr. Thomas Wörz ist Sportwissenschaftler, Psychotherapeut und Lehrbeauftragter für Sportpsychologie und Psychoregulation an der Universität Salzburg. Als aktiver Leistungssportler war Wörz unter anderem 1988 Olympiateilnehmer in Calgary im Viererbob sowie Staatsmeister in der Leichtathletik. Seit Jahrzehnten betreut er als Mentalcoach Weltklassesportler aus verschiedenen Sportarten, aber auch ganze Teams. Neben zahlreichen anderen Büchern veröffentlichte er 2016 den Bestseller „Die mentale Einstellung“ (egoth-Verlag).