Warum wir so gerne beim Sport zusehen
Ob Fußball, Tennis oder Skifahren – Profisportlern bei ihren Bewerben zuzusehen ist für viele Menschen Hobby Nummer 1 und Nervenkitzel pur.
„Zuallererst steht natürlich der Reiz am Wettkampf, das Hoffen auf einen positiven Ausgang und die damit verbundene Spannung. Selbst dann, wenn das eigene Team den Kürzeren zieht oder die eigenen Helden mal verlieren“ meint einer, der es wissen muss: Jörg Matthes ist Professor für Werbeforschung und Institutsvorstand am Wiener Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften. Und er mag Sport, denn dieser hätte „eine wichtige Funktion für die soziale Identität von Menschen“.
Während wir also als „zwölfter Mann“ mit unserer Lieblings-Elf bangen und jubeln, geht es – laut Matthes nicht nur um die sportliche Leistung, sondern auch um die Identifikation mit einem Land, einer Region, einer Stadt, Mannschaft oder Person. Der Sport steht somit für etwas. Matthes: „Schließlich schafft Sport Gemeinschaft. Damit ist nicht nur gemeint, dass man mit anderen über Sport reden kann, also mitreden kann. Sondern es geht auch darum, Teil einer größeren Gemeinschaft, eine Anhängerschafft zu sein, wie das eben bei Fans der Fall ist.“
Mitfiebern mit den Sport-Helden
Identifikation mit den Sportlern ist ein Hauptgrund, warum wir mit unseren Helden so sehr mitfiebern. „Bei Personen, die wir mögen, empfinden wir bei Erfolg positive Emotionen und negative bei Misserfolg. Wären uns die Sportlerinnen und Sportler egal, wäre es auch nicht so spannend. Der moderne Sport wird so in Szene gesetzt, dass eine solche Identifikation leicht entstehen kann“, erklärt der Professor. Sportlerinnen und Sportler werden gezielt inszeniert bzw. inszenieren sich auch selbst. Das verstärkt ihre Fanbasis (und natürlich auch ihre Werbeverträge).
„Hinzu kommt, dass Gewinnen versus Verlieren eine tief menschliche Erzählform ist, mit der wir sehr vertraut sind. Und Erzählungen bringen es mit sich, dass man ihren Ausgang erfahren möchte.“
Bequem von der Couch aus
Das Fernsehen macht es uns natürlich noch zusätzlich bequem, unsere favorisierten Teams zu verfolgen. „Der Reiz des medienvermittelten Sports, im Vergleich zum Live-Erlebnis, liegt in der Bequemlichkeit der Nutzung, aber auch in der journalistischen Aufbereitung mit zahlreichen Hintergrundinformationen, Kommentaren und Interviews. Zudem ist man mit dem Blick durch die Kamera oft näher dran, da man Einstellungen wiederholt und herangezoomt sehen kann“, erklärt Matthes den Reiz des Sport-TVs. Medien würden das Live-Erlebnis allerdings nicht ersetzen: Stadien sind bei Live-Übertragungen nicht weniger voll.
Dass das Feiern von Sportübertragungen eher eine männliche Domäne ist, hat laut Matthes eher historische Gründe. „Beispielsweise konnten Frauen viele Sportarten erst viel später ausüben als Männer, so dass viele Sportarten gewissermaßen männlich besetzt sind.“ Es haben sich auch kulturelle Muster entwickelt, die den Männersport bevorzugen, wie beim Fußball. Schlussendlich gäbe es auch genetisch bedingte Leistungsunterschiede zwischen Männern und Frauen bei manchen Sportarten.
So oder so gilt: Die Sofa-Variante ist verletzungsfrei, man bekommt keinen Muskelkater und kaum außer Atem. Wer die eigene sportliche Betätigung nicht komplett abschafft, hat sich diese Belohnung das eine oder andere Mal durchaus verdient.
Zur Person:
Univ.-Prof. Dr. Jörg Matthes ist Professor für Werbeforschung und Institutsvorstand am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien. Er beschäftigt sich etwa mit der Wirkung von Smartphone-Gebrauch auf das Selbstbewusstsein von Kindern und Jugendlichen.