(Durch)Atmen

Der Atem ist ein wunderbares Basis-Instrument zur Verbesserung von Gesundheit und Entspannung. Doch richtiges, bewusstes Atmen ist alles andere als selbstverständlich.

Eine Frau, die einatmet

Wir tun es zwanzig- bis dreißigtausend Mal pro Tag, seit der ersten Sekunde unseres Lebens und bis zur letzten. Aber wie funktioniert Atmen eigentlich? „Physiologisch gesehen ist Atmen das Zusammenspiel von Herz und Lunge unter Aktivierung zweier Muskeln: dem Zwerchfell, zugleich dem größten Atemhilfsmuskel, und der Zwischenrippenmuskulatur. Diese arbeiten in einem Wechselspiel von Anspannung und Entspannung im Rahmen des Ein- und Ausatmens immer zusammen. Der Zwerchfellmuskel soll dabei der führende Muskel sein. Dies geschieht durch die Bauchatmung. Man kann es sich wie einen Schirm vorstellen, der sich aufspannt und schließt!“, erklärt UNIQA VitalCoach Eva Riebenbauer-Ott.

Atmung und Gesundheit

Der Atem ist die Grundbewegung des Lebens und somit die Basis unserer Lebensenergie. Zugleich ist er das einzige Werkzeug, welches als unbewusste und bewusste Bewegung funktioniert. Wer richtig atmet, versorgt seinen Körper optimal mit Sauerstoff und erzielt vielfältige positive Effekte. Wer bewusst und richtig atmet profitiert doppelt, denn die Atmung…

  • ... beeinflusst Herz und Kreislauf. Sie verändert die Herzratenvariabilität, senkt Puls und Blutdruck. 
  • ... wirkt wie eine Massage für die inneren Organe und verbessert die Verdauung.
  • ... wirkt auf mentaler und emotionaler Ebene, indem sie die Konzentration erhöht, weil das Gehirn mehr Sauerstoff bekommt und Emotionen sich "entschleunigen".
  • ... schärft Aufmerksamkeit und Bewusstsein und stoppt Gedankenkreisel, wenn der Fokus auf die Atemlenkung gelegt wird.
  • ... erhöht nicht zuletzt die sportliche Leistungsbreite und Vitalkapazität.

Atmung und Entspannung

Im stressigen Alltag tendieren wir jedoch dazu, flach zu atmen und unsere Kapazitäten nicht voll auszuschöpfen. Dabei hängen Atem und Entspannung eng zusammen. Riebenbauer-Ott: „Der Atem beeinflusst das vegetative Nervensystem positiv, da der sogenannte Vagusnerv, der auch durch das Zwerchfell zieht, aktiviert wird. Er ist der Teil des Parasympathikus, der die Steuerung übernimmt, wenn wir uns im Entspannungszustand befinden. Umgekehrt, wenn das Zwerchfell und die Zwischenrippenmuskulatur angespannt sind, fährt der Vagusnerv seine Aktivität herunter und wir bleiben im Stressmodus, selbst wenn wir glauben, schon entspannt zu sein.“

Im übertragenen Sinn ist uns all das bekannt, etwa wenn uns in einer Stresssituation „die Luft wegbleibt“, wenn wir bei Wut „Dampf ablassen“ oder nach einer Anstrengung „durchschnaufen“. Riebenbauer-Ott: „Sind wir im Stressmodus und in der Anspannung, baut sich ein dauerhaft erhöhter Muskeltonus vor allem im Schultergürtel und Brustkorb auf. Das Zwerchfell ist nach obenhin angespannt und der Körper bleibt im Stressmodus, selbst wenn die stressauslösenden Reize nicht mehr da sind. Das ist ein Teufelskreis, doch mit gezielten und bewussten Atemübungen hat man ein sehr gutes Selbstregulationswerkzeug immer bei sich.“

Bereit, es zu versuchen?

Alle Atemtechniken haben das Ziel, die Ausatemphase zu verlängern und dadurch die Entspannung einzuleiten. Auch verstärkt sie die Nasenatmung vor der Mundatmung. Denn beim Atmen durch die Nase nimmt man um zwanzig Prozent mehr Sauerstoff auf als bei der Mundatmung, was einen enormen Mehrwert für das Gehirn bedeutet.


4 Atemübungen für mehr Entspannung
  • 1. Wechselatmung / Nadi Shodhana
    Das rechte Nasenloch mit dem Daumen verschließen, durch das linke Nasenloch einatmen und bis vier zählen. Dann das linke Nasenloch mit dem Ringfinger schließen, das rechte Nasenloch öffnen, ausatmen und bis sechs zählen. Nun durch dasselbe Nasenloch (= rechts) einatmen, dann mit dem Daumen verschließen und durch das linke Nasenloch ausatmen. Und nun wieder von vorn, acht bis 12 Wiederholungen. Wirkt beruhigend auf den Geist und synchronisiert die beiden Gehirnhälften.

  • 2. Quadratatmung / Box Breathing
    Im Geist ein Quadrat vorstellen und entlang der Linien atmen. Einatmen auf sechs Sekunden, entlang der aufsteigenden Linie, auf der waagrechten Linien den Atmen drei Sekunden halten, entlang der absteigenden Linie sechs Sekunden ausatmen, dann wieder drei Sekunden auf der waagrechten Linie halten. Wirkt gegen Stress, z.B. vor einem Meeting. Am besten einen Wecker für mindestens zwei Minuten stellen und die Übung durchführen.

  • 3. Dreidimensional Atmen
    Beim Atmen bewegt sich die Bauchdecke nicht nur nach vorne und unten, sondern dehnt sich auch zur Seite und in die Flanken an der Körperrückseite aus. Im Fersensitz, in der Vorbeuge, im Liegen oder in Bauchlage kann dies bewusst wahrgenommen werden: Die Hände in diese Bereiche legen und spüren, wie der Zwerchfellmuskel sich in alle Richtungen ausdehnen kann.

  • 4. Das Zwerchfell dehnen
    Um das Zwerchfell zu dehnen und dadurch die Atmung zu verbessern, helfen Seitdehnungen des Rumpfes. Oder eine zusammengerollte Decke auf den Boden legen und sich längs mit der Wirbelsäule darauflegen. Die Schultern sinken sacht zum Boden, Brustkorb und Zwerchfell werden nach oben gedehnt.

Das kleine "Who is who" der bekanntesten Atemtechniken

Atemtechniken findet man weltweit in allen Kulturen. Zum Teil sind sie tausende Jahre alt und Teil spiritueller oder medizinischer Praxis. Alle haben sie zum Ziel, den Gesundheitszustand zu verbessern oder geistige Entwicklung zu fördern.

  • Ozeanatem / Ujjayi Atem

Eine Atemtechnik aus dem Yoga. Dabei wird durch die Nase ein- und ausgeatmet und im hinteren Teil des Rachens durch Schließen der Stimmritze ein Geräusch erzeugt, das an den Klang von Wellen erinnert. Das beruhigt das Nervensystem und erhöht die Konzentration in der Yogapraxis.

  • Holotropes Atmen

Entstand im 20. Jahrhundert als Konzept der transpersonalen Psychologie. Dabei wird schnell und tief über einen längeren Zeitraum geatmet (bewusste Hyperventilation), häufig mit Musikbegleitung. Um intensive emotionale und spirituelle Erlebnisse hervorzurufen.

  • Verbundenes Atmen / Rebirthing

Wurde im 20. Jahrhundert als Methode zur Atem- und Bewusstseinsschulung konzipiert. Dabei sollen Ein- und Ausatmung fließend, ohne Pause ineinander übergehen. Durch diese Technik sollen emotionale Blockaden gelöst und ein tiefes Verständnis des Selbst erreicht werden. Auch soll das eigene Geburtserlebnis dadurch nochmals erfahrbar gemacht werden und verdrängte Gefühle und Erlebnisse bewusst werden.

  • Buteyko Atmung

Wurde vom ukrainischen Arzt Konstantin Buteyko im 20. Jahrhundert entwickelt als Therapie gegen Asthma, Allergien und Bluthochdruck. Dabei wird langsam, aber flach nur durch die Nase geatmet – die Ausatemphase ist dabei immer länger als die Einatmung, um den CO2 Spiegel im Blut zu erhöhen. Bei der fortgeschrittenen Form wird der Atem mit sekundenlangen Atempausen gehalten. 

  • Wim Hof Methode

Basiert auf der tibetischen Tummo Methode und wurde vom Extremsportler Wim Hof für das Eisbaden adaptiert. Dabei werden tiefe und schnelle Atemzüge mit Phasen des Atemhaltens kombiniert, um für ein Eisbad die Körpertemperatur zu erhöhen und Stress zu reduzieren.

Eva Riebenbauer-Ott © beigestellt
Eva Riebenbauer-Ott © beigestellt

Zur Person:
Eva Riebenbauer-Ott
ist Dipl. Gesundheits- und Krankenschwester, Dipl. Gesundheitstrainerin & Yogalehrerin, Mikronährstoffcoach und UNIQA VitalCoach. In ihrem GesundheitsREICH in Friedberg/Stmk. bietet sie ihren Klient:innen, ressourcenorientierte und zielgerichtete individuelle Einzelarbeit und Retreats zur Gesundheitsförderung an. 

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