Kreativität: Wenn Not erfinderisch macht
Ohne Krisen säße die Menschheit vermutlich noch auf den Bäumen. Denn in schwierigen Zeiten boomt Kreativität. Und das Beste: sie lässt sich trainieren.
Sandalen aus alten Autoreifen oder ein Wohnzimmer als Trainingsparcours. Das Internet ist voll von Videos, in denen Menschen zeigen, wie sie Dinge umfunktionieren oder erfinden, um das zu bekommen, was sie haben möchten oder was Ihnen im Moment fehlt. Vorstellungskraft, Erfindungsgeist oder Kreativität lautet das Schlüsselwort.
Wer glüht für das, was er tut, lebt ein glücklicheres Leben. Wie entsteht das Glücksfeuerwerk der Begeisterung?
Tatendrang als Motor
Experten sind sich einig, dass Motivation der stärkste Motor ist, um Kreativität anzukurbeln. Man denke nur an Leonardo Da Vinci, der ebenso die Möglichkeiten der Malerei auslotete wie die der Architektur bis hin zu seinen Vorstellungen und Zeichnungen von Flugobjekten – erdacht in seiner Fantasie und hunderte Jahre später zur Realität geworden. „Wer schöpferisch tätig sein will, muss zu allererst die Bereitschaft besitzen, sich überhaupt auf etwas Neues einzulassen. Es klingt zwar widersprüchlich, sich darauf einzustellen, spontan zu sein, aber die Fähigkeit zum Denken in Widersprüchen erhöht jedenfalls die Wahrscheinlichkeit für das Auftauchen kreativer Ideen“, weiß auch Psychiater Dr. Thomas Schützenhofer.
Kreativitätskiller Alltag
Ein anderer Faktor sind die Rahmenbedingungen, und da ist die tägliche Routine nicht unbedingt förderlich. Alltagsroutinen sind sinnvoll, um ein reibungsloses Funktionieren in Job und Privatleben zu ermöglichen. Doch Kreativität kann erst entstehen, wenn wir über den Tellerrand des täglichen Einerleis blicken. Genauer gesagt, wenn wir zeitliche und geistige Freiräume haben, in denen wir unsere Gedanken anderen und neuen Dingen zuwenden oder bisher Bekanntes aus neuer Perspektiver betrachten können. Wenn das übliche Leben Pause macht, ist daher ein guter Zeitpunkt, um schöpferisch tätig zu werden.
Reizarmut fördert Querdenken
Um seine inneren Stimmen hören zu können, dürfen die äußeren nicht zu laut sein. Konkret heißt das: Reizüberflutung hemmt Kreativität, Entspannung und Ruhe fördern sie. Oft ist die Rede vom „Flow“, einem Zustand der Selbstvergessenheit, in dem schöpferische Gedanken entstehen. Wenn nun äußere Anforderungen und Reize auf ein Minimum reduziert sind, ist damit eine gute Ausgangssituation für schöpferische Ideen gegeben. Nicht umsonst heißt es von Dichtern, dass sie ihre Texte „im stillen Kämmerlein“ oder „im Elfenbeinturm“ verfassen.
Mini-Abenteuer erleben
Unser Alltag besteht aus vielen banalen Handlungsabläufen, sodass wir unsere Tage meist im Auto-Pilot-Modus durchleben. Das beginnt schon damit, dass wir stets dasselbe frühstücken oder immer auf demselben Weg mit dem Hund Gassi gehen. Dr. Thomas Schützenhofer: „Verändern wir allein solche Kleinigkeiten geben wir unserem Gehirn neue Impulse und schaffen durch das Durchbrechen dieser Routinen auch die Möglichkeit, neue Perspektiven und Sichtweisen entstehen zu lassen.“
Mit Vorstellungen spielen
Kreativität heißt auch, etwas spielerisch auf eine neue Weise zu tun, Bekanntes neu zu ordnen oder neue Zusammenhänge zwischen Dingen herzustellen und zu entdecken. So könnte etwa das Spiel mit der Frage „Was wäre, wenn ich das tatsächlich verändern würde?“ der erste Schritt zu einem neuen Lebensmodell werden. Um die Fantasie zu beflügeln, hilft es auch, sich mit gänzlich neuen Themen aus Büchern, Kunst, Filmen, sozialem Austausch, Sport u.v.m. zu beschäftigen.
Zur Person
Dr. Thomas Schützenhofer ist Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapeutische Medizin sowie Arzt für psychosomatische Medizin. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen auf Begleitung bei Krisen und Lebensübergängen, Therapie von Depressionen, Angsterkrankungen und anderen psychischen Erkrankungen sowie psychosomatischen Störungen.