Man(n) schaut auf sich
Mammut und Säbelzahntiger sind längst ausgestorben, aber das männliche Rollenbild vom Furchtlosen und Starken lebte bis heute weiter und ließ Männer zu Gesundheitsmuffeln werden. Doch es gibt eine gesunde Trendumkehr...
Das überholte Verständnis einer Geschlechterrolle, in der Schwäche reflexartig zur Angst führte, seine „maskuline Identität“ zu verlieren, löst sich zum Glück zunehmend auf. Prävention ist inzwischen vor allem für jüngere Männer keine Bedrohung ihres (modernisierten) Rollenbildes mehr, sondern Bestandteil einer verantwortungsvollen Lebensweise, weiß Urologe David D’Andrea von der Uniklinik für Urologie an der Medizinischen Universität Wien: „Es ist eine dieser traditionellen Barrieren, dass Männer das Gefühl haben, schwach zu wirken, wenn sie sich um die eigene Gesundheit kümmern. Aber in den vergangenen Jahren gab es da bedeutende Veränderungen, die zu einem breiteren Verständnis von Männlichkeit und Gesundheitsverhalten geführt haben.“
Neben dem historischen Rollenbild führt D’Andrea weitere Punkte an, die dazu geführt haben, dass Männern sich seltener proaktiv um ihre Gesundheit kümmern: Zeitmangel und falsche Prioritäten, die der Gesundheitsvorsorge im Vergleich zu beruflichen Anforderungen und familiären Verpflichtungen kaum Platz gegeben haben; fehlende Kommunikation und mangelnde Gesundheitsbildung, die in vielen Fällen bei Männern zu einem sehr eng begrenzten Verständnis für Prävention und gesunden Lebensstil geführt haben; und schließlich das gefährliche Missverständnis, dass es „männlicher“ sein könnte, sich um die Bewältigung einer bereits ausgebrochenen Krankheit zu kümmern, als der Vorbeugung die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.
Der „neue Mann“ ist gesundheitsbewusst
Doch das verändert sich, wie auch Mediziner D’Andrea feststellt: „Die Frage, ob jüngere Männer tendenziell gesundheitsbewusster sind, lässt sich mit einem klaren 'Ja!' beantworten, und das ist eine ermutigende Entwicklung.“
Zurückzuführen ist das laut dem Experten für Männergesundheit auf mehrere Faktoren:
- Veränderte Geschlechterrollen und -identitäten in einer offeneren und diverseren Gesellschaft haben auch das „Mannsbild“ entscheidend gewandelt.
- Die jüngere Generation hat durch Internet oder soziale Medien häufiger Zugang zu umfassender Gesundheitsbildung. Und der technologische Fortschritt (Apps, Fitness- oder Activity-Tracker (sogenannte Wearables), Online-Plattformen) unterstützt ein aktives Gesundheitsmanagement.
- Gesundheitsorganisationen oder Kampagnen wie „Movember“ sorgen für eine erhöhte Sichtbarkeit des Themas Männergesundheit.
Testosteron als Vorsorge-Bremser
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass genetische und hormonelle Faktoren wie der Testosteronspiegel das Risikoverhalten und somit auch die Einstellung zur eigenen Gesundheit beeinflussen können. So gilt heute als wissenschaftlich erwiesen, dass ein höherer Testosteronspiegel mit einem Hang nicht nur zu wirtschaftlichem, sondern auch zu gesundheitlichem Risikoverhalten in Verbindung gebracht werden kann. Trifft zu viel Testosteron auf ein traditionelles Rollenbild, kann das einen sorglosen Umgang mit der eigenen Gesundheit verstärken.
Aber zumindest das Rollenbild verschwindet in Bezug auf die Gesundheit langsam, aber unaufhaltsam. Und das ist auch im Hinblick auf künftige Generationen wichtig, denn Männer sind auch in dieser Hinsicht Vorbilder für ihre Kinder, die am Anfang vorwiegend durch Beobachtung und Nachahmung lernen. Die Art, wie Eltern mit ihrer Gesundheit umgehen, welche Lebensgewohnheiten sie vorleben, legt in der Kindheit den Grundstein dafür, wie die Sprösslinge im Erwachsenenalter selbst dem Gesundheitsthema begegnen.
Zu checken gibt es mehr als die Prostata
Dass Männer ab 50 regelmäßig und proaktiv Prostata und Hoden kontrollieren lassen sollen, ist mittlerweile Allgemeinwissen. Ebenso wie die Überprüfung von Blutdruck, Cholesterin und Blutzucker. Aber die Palette von Ressourcen und Präventionsstrategien ist auch für Männer eine viel breitere. Eine bewusste Ernährung oder körperliche Betätigung sind geschlechterübergreifend wichtig für Gesundheit bis ins Alter. Und auch die Pflege der mentalen Gesundheit ist von großer Bedeutung, Meditation und Entspannungsübungen können bei der Stressbewältigung hilfreich sein.
Männer gelten immer noch als Gesundheitsmuffel, auch wenn das inzwischen weit nicht mehr in dem Ausmaß zutrifft wie früher. Denn traditionelle Rollenbilder, in denen ein Mann in erster Linie „stark“ zu sein hatte, lösen sich auf und werden durch ein Gesundheitsbewusstsein abgelöst, das auch die Männer mitnimmt und zu mehr Selbstachtsamkeit und Prävention animiert. Das ist auch deshalb besonders wichtig, weil Männer als Väter das Bewusstsein der Kinder stark mitprägen – und damit auch die Einstellungen zu einer gesundheitsbewussten Lebensweise für künftige Generationen.
Zur Person:
Univ.-Prof. Dr. David D‘Andrea ist LARA-Partnerarzt, Urologe und gilt zudem als Spezialist für minimal-invasive Operationen. Darüber hinaus ist Dr. D’Andrea unter anderem Mitglied der Europäischen Gesellschaft für Urologie und der Prüfungskommission des European Board of Urology (EBU). Er publiziert außerdem als Rezensent in zahlreichen internationalen wissenschaftlichen Zeitschriften.