JOMO: Mehr Gelassenheit durch digitale Pausen
Weniger im Internet sein. Vermeintlich perfekten Social Media Profilen nicht mehr folgen. Das Handy stundenweise ausschalten. Eine Expertin erklärt, warum es für unsere Psyche wichtig ist, sich eine Pause von der digitalen Informationsflut zu gönnen, um JOMO („Joy Of Missing Out“) zu erleben.
E-Mails, WhatsApp, Messenger, Instagram, Facebook, TikTok, Twitter, Online-Nachrichtenportale. Täglich prasseln hunderte Nachrichten, Fotos und Status-Updates auf uns ein. Doch nur die wenigsten Informationen, die wir digital konsumieren, bringen wirklich Mehrwert für unseren Alltag. Der Informations-Gehalt von Twitter-Kommentaren, Hunde-Videos, Karaoke-Reels und Influencer-Selfies ist meistens eher gering. Aus Angst, digital etwas zu verpassen, halten wir dennoch immer mehr Updates Ausschau.
JOMO, der Gegentrend zu FOMO
Doch jetzt zur guten Nachricht: Mittlerweile gibt es einen Gegentrend zum FOMO (Fear Of Missing Out)-Phänomen. Aus dem Bedürfnis heraus, das Rauschen für eine Weile abzuschalten und nicht stets top-informiert sein zu müssen, hat sich JOMO (Joy of missing out), die Freude, etwas zu verpassen, entwickelt. Also das bewusste Gegenstück zu FOMO.
Dabei geht’s nicht darum, komplett ohne Smartphone und Internet zu leben. Das würde gar nicht funktionieren, denn beide sind integraler Bestandteil unseres Alltags. Vielmehr zielt JOMO darauf ab, eine Balance zu finden und aktiv (und vor allem selbst) zu entscheiden, welche Information man konsumieren möchte – und welche nicht.
Aktiv entscheiden, welche Kanäle man konsumiert
Konkret heißt das: Es wird digital ausgemistet. Personen auf Social Media entfolgen, deren vermeintlich perfekte Leben schon beim Anblick unnötigen Druck erzeugen. Kein Twitter, Instagram oder Facebook am Wochenende. Die gewonnene Zeit, also die Stunden und Minuten ohne Social Media, werden für Aktivitäten, die Energie und Erholung schenken, genutzt. Das kann eine entspannende Badewannen- oder Sport-Einheit sein. Aber auch das Gassi-Gehen ohne vom Handy abgelenkt zu sein, zählt dazu. Telefonate mit Freund:innen und gemeinsame Kochabende schenken uns ebenfalls Energie.
Mit JOMO zu weniger Online-Stress: Das sagt die Expertin
Johanna Constantini, Klinische Psychologin in Innsbruck mit Arbeitsschwerpunkt „Digitale Medien“, erklärt im Interview, wie der Online-Konsum so verändern kann, dass man JOMO und mehr Balance erlebt.
Wie komme ich von der Angst, etwas zu verpassen, zu einem entspannteren Umgang mit dem Internet und zum sogenannten JOMO?
Constantini: Zuallererst sollte man sich sein eigenes Nutzungsverhalten anschauen. Die Analyse der Bildschirmzeiten kann helfen, zu erkennen, womit die Zeit im Netz hauptsächlich genutzt wird beziehungsweise, womit man sie vielmehr verliert. Prinzipiell gilt: Je mehr Struktur geschaffen wird, umso leichter gelingt es, die Online-Zeiten zu reduzieren. Das heißt, der Internet-Konsum sollte zeitlich begrenzt werden. Gezieltes Surfen, Benachrichtigungen weitestgehend stummschalten und jenen Social-Media-Accounts entfolgen, die vielleicht Neid- oder Minderwertigkeitsgefühle hervorrufen.
Welche positiven Effekte erleben Hirn und Psyche, wenn wir weniger digitalen Reizen ausgesetzt sind?
Man erlebt Entspannung, Gelassenheit und auch ein gesteigertes Selbstwertgefühl. Doch bis das einsetzt, dauert es meist ein bisschen. Denn die schrittweise Abstinenz von Smartphone und anderen Bildschirm-Medien führt bei vielen zuerst zu Stresssymptomen. Davon soll man sich aber bitte nicht entmutigen lassen, die Bildschirmzeiten zu reduzieren. Durchhalten lohnt sich!
Weniger im Internet zu sein, ist eine Sache. Aber viele wissen nicht, was sie dann mit ihrer Zeit anfangen sollen. Was sind Ihre Tipps für alle, die sich in der ersten Zeit ein wenig verloren fühlen?
Schon bevor die Zeit im Internet gekürzt wird, sollten konkrete Alternativen erarbeitet werden. Gemeinsame Aktivitäten mit der Familie oder dem Freundeskreis kann helfen, offline zu bleiben. Absprachen, die von allen eingehalten werden – zum Beispiel kein Handy beim Essen – verstärken das Ganze zusätzlich. Wer konkrete Tagespläne macht und spezielle Internetzeiten schriftlich festlegt, ist weniger versucht, sich online zu verlieren. Und natürlich verringert auch das Mitführen analoger Hilfsmittel – wie zum Beispiel eines Taschenkalenders – die Abhängigkeit von Technologien und digitalen Geräten.
Bewusstes Entscheiden, welche Inhalte und Nachrichten online konsumiert werden, sorgt für JOMO (Joy Of Missing Out). Dieser Begriff beschreibt die Zufriedenheit, die man erlebt, wenn man nicht über alles „top-informiert“ ist. JOMO wird als wichtiger Pfeiler gesehen, um im digitalen Zeitalter mehr Balance und ein Gegengewicht zur ständigen Erreichbarkeit zu finden.
Zur Person:
Johanna Constantini, M.Sc., ist Klinische Psychologin, Arbeitspsychologin und Sportpsychologin mit eigener Praxis in Innsbruck. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte befasst sich damit, wie sich digitale und soziale Medien auf unser seelisches Wohlbefinden auswirken.