Mama, ich bin jetzt vegan!
Wenn Kinder und Jugendliche beschließen, sich vegan zu ernähren, bringt das mitunter Umstellungen für die ganze Familie. Viele davon sind positiv – vorausgesetzt, man beachtet ein paar Grundregeln.
Erwachsen werden bedeutet auch, Eigenverantwortung zu übernehmen und sich mit seiner Gesundheit auseinanderzusetzen. Wenn der Nachwuchs also eines Tages in der Küche steht und zur allgemeinen Verblüffung verkündet: „Ab heute keine Tierprodukte mehr!“, hilft es, erst einmal zuzuhören, statt von vornherein pauschal dagegen zu sein (in der Pubertät ist das Konfliktpotenzial ja ohnedies schon groß).
„Etwas mehr pflanzliche, gesunde Ernährung kann eine Chance für die ganze Familie sein: Kinder und Jugendliche können ihre Eltern motivieren und inspirieren und ihnen auch Rezepte zeigen“, sagt Mag. Karin Pauer, Ernährungswissenschaftlerin und UNIQA VitalCoach. Sie schlägt vor: „Vielleicht gibt es ja einen komplett veganen Tag pro Woche für die ganze Familie?“
Für die oftmals überrumpelten Eltern gilt es zunächst einmal, die Beweggründe herausfinden: Um was geht es bei der Entscheidung meines Kindes? Ist es ein ethisches Anliegen (Stichwort: Tierwohl) oder handelt es sich um Umweltaspekte? Ist es eine Frage der Gesundheit oder stecken andere Gründe dahinter? In der Pubertät geht es auch ganz oft um Zugehörigkeit: Man positioniert sich, will sich abgrenzen – auch von den Eltern.
Achtsame Herangehensweise statt Orthorexie
Gemeinsam sollte beobachtet werden, wie sich die Entscheidung zur veganen Ernährung auswirkt und entwickelt. Geht die Ernährungsumstellung Hand in Hand mit dem Bedürfnis, sich abzugrenzen, besteht mitunter die Gefahr, dass Jugendliche in extremes Verhalten verfallen, dass sie sich etwa übermäßig akribisch mit Ernährung beschäftigen (Orthorexie).
Ernährungsexpertin Pauer: „Wenn die Eltern merken, dass sich ihr Kind sozial einschränkt, zum Beispiel nicht mehr an gemeinsamen Familienmahlzeiten teilnimmt, ist Vorsicht angebracht, egal bei welcher Ernährungsform.“ Auch das Gewicht und die generelle Verfassung (Energiehaushalt, Blutwerte etc.) sind Faktoren, die beobachtet werden sollten.
Puddingveganer: Vegan ist nicht gleich gesund
In jungen Jahren werden die Weichen für den späteren Lebensstil gestellt. Auch Heranwachsende sind von den Volkskrankheiten wie Herzkreislauferkrankungen, Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck nicht ausgenommen. Die gute Nachricht: Mit einer gesunden pflanzenbasierten Ernährung kann hier gut gegengesteuert werden. Aber: „Vegane Ernährung ist nicht gleich vegane Ernährung“, sagt Pauer, „Es kann sein, dass sie dem jungen Körper eher schadet, wenn die Herangehensweise falsch ist. Stichwort Pudding: Vegan ist dann ungesund, wenn zu viel Süßigkeiten - veganes Eis, vegane Schokolade et cetera - und zu viele vegane Fertigprodukte gegessen werden. Aber auch bei einer Mischkost ist noch lange nicht garantiert, dass sie gesund ist.“
Da ist es auf jeden Fall hilfreich, zunächst einmal den Rat von gut ausgebildeten Fachpersonen einzuholen. Eine Blutanalyse zu Beginn, die dann laufend zweimal pro Jahr wiederholt wird, gibt Aufschluss, ob die Nährstoffversorgung gegeben ist oder ob man supplementieren muss: Sind Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D3, Vitamin B12, Jod und Selen ausreichend vorhanden?
Vitamine und Mineralstoffe sinnvoll kombinieren
„Bei Veganerinnen und Veganern ist das Vitamin B12 besonders kritisch, da es sonst nur in tierischen Produkten zu finden ist. Hier sind Nahrungsergänzungsmittel unumgänglich. Grundsätzlich empfehle ich aber, die Stoffe über die Lebensmittel zuzuführen“, sagt Pauer.
Auch bei Eisen ist Vorsicht geboten, denn es wird aus pflanzlicher Nahrung nicht so gut aufgenommen und ist für junge Menschen in der Wachstumsphase essenziell. Bei Mädchen ist der Bedarf zusätzlich aufgrund der Menstruation erhöht. Eisen findet sich etwa in Nüssen, Sesam, Quinoa, Linsen, Kürbiskernen und in grünem Gemüse.
Kaffee, schwarzer Tee und grüner Tee hemmen allerdings die Eisenaufnahme. Daher empfiehlt Pauer, diese Getränke nicht mit einer Mahlzeit gemeinsam zu konsumieren. Erhöht wird die Eisenaufnahme hingegen in Kombination mit Vitamin C (z. B. ein Glas frischer Orangensaft).
Das für den Knochenaufbau so wichtige Mineral Kalzium findet sich ebenfalls in grünem Gemüse und in Mineralwasser, auch manche Pflanzenmilchprodukte sind damit angereichert.
Pflanzliches Protein
Damit die Proteinversorgung gewährleistet ist, gilt es, unterschiedliche Eiweißquellen zu kombinieren. Je bunter das Potpourri aus Sojaprodukten, Hülsenfrüchten (Kichererbsen, Linsen, Bohnen etc.), Vollwertgetreide und Nüssen, desto besser. Auch spezielle Mehle wie Kürbiskernmehl oder Erbsenprotein können in den Speiseplan eingebaut werden.
Karin Pauer empfiehlt sowohl Eltern als auch neoveganen Kindern, Extreme zu vermeiden – einfach nicht zu streng zu sein: „Man kann sich vegan ernähren und hin und wieder eine gesunde vegetarische Ausnahme machen oder zum Beispiel mit ein paar veganen Tagen pro Woche anfangen. So kann das Vorhaben Spaß machen und langfristig gelingen.“
Zur Person:
Mag. Karin Pauer ist Ernährungswissenschaftlerin, Personaltrainerin und UNIQA VitalCoach. Ihr Motto ist: „Gewinn an Lebensfreude durch Nahrung, die uns nährt, und Bewegung, die uns stärkt.“