Es geht bergauf!

Mit den Höhenmetern steigt die Stimmung: Bergwandern tut der Psyche gut und kann sogar einem Burn-out vorbeugen. Auf Menschen mit einer psychischen Erkrankung wirkt die Aktivität am Berg wie ein Antidepressivum. Das zeigt eine vielbeachtete Studie.

Mann am Berg

„Menschen in Bewegung zu bringen, fördert nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit“, schickt Priv. Doz. Dr. Reinhold Fartacek, Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin am Uniklinikum Salzburg, voraus. „Bergwandern hellt die Stimmung auf und wirkt im Sinn einer Burn-out-Prävention.“

Wirkt wie ein Antidepressivum

Äußerst positive Effekte hat es auch auf psychisch Erkrankte: „Man weiß schon länger, dass ein leichtes Training in der Natur wie ein Antidepressivum wirkt“, erklärt der Mediziner. „Es hat eine stimmungsaufhellende Wirkung – vorausgesetzt natürlich, man kann sich dazu überwinden.“

Neun Wochen Wandern 

Im Rahmen der Bergwanderstudie, die in Topjournals wie dem American Journal of Medicine publiziert wurde, untersuchte Fartacek mit einem Team den gesundheitlichen Nutzen des Bergwanderns für depressive und suizidgefährdete Menschen. Zwei bis drei Mal pro Woche waren die Betroffenen bei jedem Wetter, selbst bei Schnee, im Salzburger Land unterwegs. In durchschnittlich zwei bis zweieinhalb Stunden überwanden die Teilnehmer zwischen 200 und 300 Höhenmetern. Die Strecke von sechs bis acht Kilometern führte durch alpines Gelände ohne gefährliche ausgesetzte Stellen. „Wir haben die Teilnehmer in zwei Gruppen aufgeteilt: Während die eine Gruppe die neunwöchige Wanderphase durchlief, war die zweite Gruppe die „Wartekontrollgruppe“, damit wir einen wissenschaftlich exakten Vergleich anstellen konnten“, beschreibt der Facharzt das Studiendesign. Nach neun Wochen wurde getauscht.

Grundkurs im Naturerleben

Um das Erlebnis in den Bergen zu verstärken, wurde den Teilnehmerinnen und -teilnehmern in einem vorbereitenden Kurs nahegebracht, was man in der Natur alles erfahren und wahrnehmen kann: „Dazu zählen Gerüche, Geräusche, den Wind, aber etwa auch die Unebenheit des Geländes unter den Füßen“, zählt Fartacek auf. „Gerade bei Städtern, die sich wenig in der Natur aufhalten, ist das Naturerleben verkümmert.“ Ob das Erlebnis in der Natur im positiven Sinn „süchtig“ machen kann? „Positives Erleben spielt sich im Gehirn ab“, informiert der Experte. „Es gibt durchaus eine gewisse Wirkung, die aber mit dem suchtmachenden Effekt bestimmter Substanzen nicht gleichzusetzen ist.“

Belastung bei mittlerer Pulsfrequenz

Gemeinsam mit dem Team des Universitätsinstituts für präventive und rehabilitative Sportmedizin in Salzburg wurden außerdem Empfehlungen bezüglich der Leistungsgrenzen erarbeitet, ergänzt Fartacek. „Die beste gesundheitsfördernde Wirkung bietet eine mittlere Belastung.“ Jeder Teilnehmer wurde sportmedizinisch untersucht: Es wurden die Höchstbelastungsgrenze eruiert und die individuelle, mittlere Pulsfrequenz ermittelt, welche die Patienten mithilfe einer Pulsuhr laufend kontrollierten. „Der Trainingszustand, die Kondition haben sich signifikant gebessert“, bestätigt der Mediziner. Warum das so wichtig ist? „Gerade Menschen mit psychischen Erkrankungen haben oft ein eklatantes Bewegungsdefizit”, informiert Fartacek. Hinzu kommt häufig ein sehr ungesunder Lebensstil: So waren viele Teilnehmer übergewichtig und rauchten.

Die Hoffnung wächst

Die noch wichtigere Messgröße als die Leistungsfähigkeit war der Faktor Hoffnung – Hoffnungslosigkeit war bei allen Teilnehmenden sehr ausgeprägt. „Dafür gibt es eine sehr aussagekräftige Eigenbeurteilungs-Skala“, informiert der Arzt. „Im Verlauf der Studie wurden zu unterschiedlichen Messzeitpunkten Hoffnungslosigkeit, Depressivität und Suizidgedanken gemessen.“
Die Ergebnisse? „Hoffnungslosigkeit und Depressivität haben sich signifikant verbessert, die Suizidgedanken wurden signifikant weniger. Wir konnten zeigen, dass Wandern einen „eigenständigen Effekt erzeugt“, freut sich Fartacek. Warum man das feststellen konnte? „Die Teilnehmer waren unter anderem dazu angehalten, für sich allein zu gehen und möglichst wenig mit anderen zu besprechen.“ So konnte man andere Effekte wie jenen durch soziale Unterstützung ausschließen.

Leben verändert sich zum Guten

Nach Abschluss der Studie trafen sich Forscher und Studienteilnehmer im Rahmen eines Bergwochenendes wieder. „Nach ein paar Monaten war noch die Mehrzahl unterwegs“, erzählt Fartacek. Und die Veränderungen der Patienten und Patientinnen waren beeindruckend: „Teilweise habe ich die Menschen gar nicht mehr wiedererkannt: Sie hatten eine ganz andere Ausstrahlung, haben anders ausgesehen und anders kommuniziert“, freut sich der Mediziner.
Die Chance, dass sich durch die Wandererfahrung das Leben der Menschen nachhaltig zum Positiven verändert, sei groß. „Aus diesem positiven Erleben heraus sagten sich viele: Ich werde alles tun, um mich gerade dann, wenn es mir nicht so gut geht, vermehrt draußen zu bewegen und mit meinen Sinnen wahrzunehmen, was die Natur bietet“, erklärt Fartacek.


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