Gesund & nachhaltig:
Lieblingstrend Food Upcycling
Wie wir aus vermeintlichen Abfällen in der Küche kulinarische Köstlichkeiten zaubern können.
Laut einer Schätzung der Europäischen Kommission werden in den EU-Ländern pro Kopf und Jahr 180 Kilogramm Lebensmittel weggeworfen – also jeden Tag ein halbes Kilogramm pro Person. Diese Zahlen sind für den Trend des "Food Upcyclings" mitverantwortlich. Ein Begriff dafür, möglichst alles aus Lebensmitteln herauszuholen und so wenig wie möglich wegzuwerfen. Etwas, das unser Experte, Haubenkoch Hannes Müller, seit vielen Jahren praktiziert.
Der Kärntner Spitzenkoch zeigt, dass „Food Upcycling“ viel mehr sein kann als bloße Resteverwertung: Seine Küche, in der er diese Philosophie lebt, wurde immerhin mit vier Gault & Millau-Hauben ausgezeichnet: „Das Prinzip, wertschätzend mit Lebensmitteln umzugehen und alles aus ihnen herauszuholen, kann jeder auch im Alltag leben“, sagt Müller. Es braucht dafür nur die richtige Einstellung zum Rohstoff, etwas mehr Achtsamkeit beim Einkauf und ein bisschen Kreativität in der Küche.
Kochen im eigenen Lebensraum
Was und wieviel man verwenden kann, hängt natürlich auch davon ab, wie gut man ein Lebensmittel kennt: „Für mich fängt alles damit an, mir bewusst zu machen, was es in meinem Lebensraum zu welcher Jahreszeit gibt – und wo ich es in der entsprechenden Qualität besorgen kann“, erklärt Müller. Denn bei der Sellerie, dem Kohl oder der Karotte vom Bauernmarkt der Region ergibt sich eine andere Verwertungssicherheit als bei der Banane aus dem Flugzeug. Da kann man Schalen, Strunke oder dranhängendes Grünzeug in der Regel bedenkenlos verwenden, um in der Küche zu zaubern.
Zutaten: Strunk von einem Karfiol, kleinwürfelig geschnitten, 1 kleine Zwiebel, kleinwürfelig geschnitten, etwas Butter, 1/8 l Gemüsefond (idealerweise selbst gemacht aus Abschnitten und Schalen), 1/8 l Schlagobers, Salz, Pfeffer, 1 EL Kräuter, grob gehackt.
Zubereitung: Karfiolstrunk und Zwiebel in Butter anschwitzen. Mit dem Fond und dem Obers aufgießen, salzen und pfeffern. Bei geringer Hitze etwa 15 Minuten köcheln lassen, bis eine dickliche Konsistenz erreicht ist. Wenn der Strunk schön weich ist, alles gut mit dem Mixstab pürieren. Vor dem Anrichten die Kräuter untermischen.
Suppen, Sud und Sugo
So wird ein vermeintlicher Abfall plötzlich zu einem zusätzlichen Rohstoff in der Küche – man muss das Häufchen von Schalen und Abschnitten, das bei der Bearbeitung von Gemüse entsteht, nur einfrieren statt wegwerfen. Wenn sich genug davon angesammelt hat, lassen sich daraus köstliche Gemüsefonds, Suppen oder Sugos machen: „Auch eine trockene Karotte oder einen älteren Sellerie muss ich nicht wegwerfen. Die ergeben immer noch eine köstliche Gemüsecremesuppe“, sagt Müller.
Das österreichische forum.ernährung heute weist außerdem darauf hin, dass „Food Upcycling“ nicht nur die eine oder andere geschmackliche Überraschung bereithält, sondern auch gesundheitlich sinnvoll ist. Denn in vielem, das in der Regel als Abfall weggeworfen wird, befinden sich Ballaststoffe, Vitamine und Antioxidantien. So lässt sich zum Beispiel aus Blättern und Stängeln von Karotten, Fenchel, Kohlrabi, Broccoli oder Radieschen mit ein paar Kunstgriffen ein schmack- und nahrhaftes Pesto erzeugen: Ein paar Nüsse oder Kerne dazu, ein wenig Hartkäse, hochwertiges Öl, Salz und Pfeffer, und fertig ist die Verwandlung vom Wegwerfprodukt zur Köstlichkeit.
Aber Vorsicht: Nicht jedes Grünzeug ist auch gesund, und man sollte sich unbedingt im Vorfeld schlau machen, was in der Küche verwendet werden kann und was nicht. Rhabarberblätter zum Beispiel enthalten Oxalsäure, und die greift nicht nur den Zahnschmelz an, sondern erschwert auch die Eisenaufnahme im Körper und bindet Kalzium.
Zutaten: 600 g Dinkelvollkornmehl, 15 g frische Hefe, Apfelschalen, in Streifen geschnitten, 380 g lauwarmes Wasser, 100 g Walnüsse, gehackt, 15 g Salz, 1 EL Brotgewürz.
Zubereitung: Alle Zutaten mischen und ca. 5 Minuten kneten. Den Teig 20 – 25 Minuten an einem warmen Ort rasten lassen. Danach nochmals vorsichtig durchkneten, zu einem Laib formen und aufs Backblech legen. Den Brotlaib ca. 10 Minuten rasten lassen. Das Backrohr auf 230 Grad vorheizen. Eine Schüssel mit Wasser ins Rohr stellen, damit sich Dampf bildet. Wenn das Rohr heiß ist, das Brot in den Ofen geben und ca. 50 Minuten lang backen.
Den Kühlschrank leer statt voll machen
Grundsätzlich sind der Fantasie und Kreativität in der Küche aber keine Grenzen gesetzt, und man wird entdecken, dass Pommes aus Broccoli- oder Kohlstrunk wunderbar schmecken können: „Wenn ich ein altes Stück Käse nicht wegwerfe, sondern mit dem Wein, der auch schon eine Weile offen ist, zu einer selbstgemachten Käsesauce verarbeite, werde ich am Abend, wenn ich beim Fernsehen meine Tacos hineintauche, den Unterschied zu einem Fertigprodukt schmecken“, ist Müller überzeugt.
Für ihn fängt „Food Upcycling“ grundsätzlich mit der Einstellung zum Lebensmittel an: „Das ist unser Antrieb, unser Motor, und deshalb muss man ihm die Wichtigkeit geben, die es verdient.“ Je hochwertiger dieses Lebensmittel ist und je näher an der Region und der Jahreszeit, desto mehr kann man aus ihm auch herausholen.
Und dann mahnt der Haubenkoch auch ein Umdenken beim Einkauf ein: „Das ist einer der ersten Schritte zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Wenn ich mir im Vorfeld schon überlege, was ich realistisch brauchen werde, muss ich eigentlich nur einmal in der Woche einkaufen. Die Philosophie im Kühlschrank sollte nämlich nicht sein, ständig aus dem Vollen schöpfen zu können, sondern ihn immer wieder leer zu machen.“
Es braucht drei Dinge, um „Food Upcycling“ im Alltag umzusetzen: Grundsätzliche Wertschätzung der Lebensmittel, ein Umdenken beim Einkaufen und Lust an der Kreativität. Dann verwandelt sich vermeintlicher Abfall rasch in Rohmaterial für Suppen, Saucen, Säfte, pikante oder süße Aufstriche und Pestos – und sorgt damit nicht nur für geschmackliche Überraschungen, sondern wirkt sich auch gesundheitlich positiv aus.
Zur Person:
Hannes Müller ist Hausherr und Küchenchef im Genießerhotel „Die Forelle“ am Weißensee in Kärnten. Der „querdenkende Leidenschaftstäter“ praktizierte in seiner Küche, die bereits mit vier Gault & Millau-Hauben ausgezeichnet wurde, „Food Upcycling“ schon lange, bevor es zu einem gastronomischen Trend wurde. Er ist nicht nur ein herausragender Koch, sondern auch ein Ernährungsphilosoph, dem die Wertschätzung der Lebensmittel besonders am Herzen liegt. www.forellemueller.at