Was wurde aus den Übergangszeiten?
War es das dann mit Frühling, Sommer, Herbst und Winter? Wird es, bedingt durch den Klimawandel, bald nur noch drei Jahreszeiten geben – nämlich Heiß, Kalt und Nass? Wir haben bei einem Klimaforscher nachgefragt.
Auch wenn es sich in den vergangenen Jahren manchmal so anfühlte, ist dieses Szenario derzeit noch übertrieben. Aber die Übergänge zwischen den Jahreszeiten passieren schon jetzt schneller und radikaler und waren in den vergangenen Jahren nur noch selten ein sanftes Hineingleiten.
Etwas ältere Semester kennen noch die sogenannte „Übergangskleidung“, die im Frühjahr für die nicht mehr ganz so kalten, aber noch nicht wirklich warmen Tage und im Herbst für die Phase zwischen sich noch einmal aufbäumendem Sommer und sich anbahnendem Winter fixer Bestandteil in allen Kleiderschränken war. Ob man diese Garderobe noch lange benötigen wird, ist allerdings fraglich. Denn der Zeitraum zwischen dem Tragen von luftigem T-Shirt und dickem Pullover beträgt manchmal nur eine Nacht, und man bekommt zunehmend das Gefühl, dass sich Temperaturen nicht mehr gemächlich ändern, sondern nur noch im Steil- oder Sturzflug. Aber ist das auch tatsächlich so?
Etliche Wochen mehr Schönwetter
„Hinter der gefühlten Veränderung findet tatsächlich auch eine reale statt“, erklärt der Metereologe und Klimaforscher Herbert Formayer von der Universität für Bodenkultur in Wien. So war in den vergangenen Jahren schon der April außergewöhnlich warm, und der sogenannte Altweibersommer verlagert sich langsam von September in Richtung Oktober und sogar November. Lange, raue und bitterkalte Winter wird man bald überhaupt nur noch aus Erzählungen kennen. Klimaforscher Formayer fügt den bekannten Faktoren, die zum Klimawandel führen, noch einen hinzu: „Gegenüber den 1960er- und 1970er-Jahren, in denen noch sehr viel Schwefel emittiert wurde, verzeichnen wir einen Strahlungsanstieg um zehn Prozent. Dieses Aufhellen der Atmosphäre („global brightening“) beschert uns jetzt stabilere Schönwetterlagen mit hohen Temperaturen.“
Der Hintergrund: Als Maßnahme gegen das Waldsterben eingeführt, bewirkte die Entschwefelung der Luft auch den Wegfall von Aerosolen, die das Licht gestreut und frühere Wolkenbildung begünstigt hatten – was zum hohen Anstieg der Solarstrahlung (Sonnenstrahlung) führte.
Mehr Pollen und weniger Wasser
Nun hätte wohl kaum jemand Einwände gegen mehr Sonnentage, aber die abrupten Übergänge statt eines langsamen Hinübergleitens in eine neue Jahreszeit haben auch Auswirkungen, die weniger erfreulich sind. Für ältere Menschen stellt das eine starke Belastung des Kreislaufsystems dar. Vegetationsperioden verschieben sich, und das macht nicht nur die Landwirtschaft anfälliger für Schäden, weiß Formayer: „Dadurch werden auch die Pollenallergiezeiten länger.“ Außerdem sagt der Wissenschaftler massive Auswirkungen auf die Biosphäre und die Verfügbarkeit von Wasser voraus: „Auch wenn man sich das in unseren Breitengraden noch nicht vorstellen kann, werden wir durch die langen, heißen Sommer mit Wasserknappheit konfrontiert werden.“
Keine sonnigen Aussichten trotz Sommerfeeling
Was also auf den ersten Blick wie ein Geschenk der Natur aussieht – Vorsommer ab April und Spätsommer bis Oktober – macht wenig sonnige Zukunftsaussichten und zeigt, dass die sogenannten Übergangszeiten auch für die klimatische Balance wichtig sind. Für jene, die all das verharmlosen und meinen, dass es das alles früher schon gegeben hätte, hat Formayer auch noch eine Botschaft: „Das Gedächtnis für historisches Wetter ist enden wollend. Für die Wahrnehmung von Wetter oder Klima hat man keine Sensorik.“
Von einem Verschwinden der Übergangszeiten kann derzeit noch nicht gesprochen werden, auch wenn das für viele gefühlt so ist. Wissenschaftlich dokumentiert sind allerdings bereits jetzt Verschiebungen nach hinten und vorne: Es ist im Frühjahr früher und im Herbst länger heiß, weshalb die Übergänge als schneller und intensiver empfunden werden. Unbestritten sind auch die Auswirkungen dieser Veränderung: Von gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Menschen über Landwirtschaft und Biosphäre bis hin zu drohender Wasserknappheit durch die langen und heißen Sommer.
Zur Person:
Prof. Priv.-Doz. Mag. Dr. Herbert Formayer ist Assoziierter Professor für Meteorologie und Klimatologie an der Universität für Bodenkultur in Wien. Der renommierte Klimawandel-Forscher hat 64 wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht und war langjähriges Vorstandsmitglied des Climate Change Centre Austria sowie Mitarbeiter von Scientists for Future.