Frauen essen anders

Der Unterschied zwischen den Geschlechtern zeigt sich auch auf dem Teller. Warum ist das so? Ernährungswissenschafterin Marlies Gruber hat Antworten für uns.

Spiegeleier werden von Pfanne auf Teller gegeben

Eine Szene in einem x-beliebigen Restaurant. Die Kellnerin bringt zwei Teller. Auf dem einen liegen Steak und Pommes, auf dem anderen ein Salat mit Falafel. Den Fleischteller stellt sie vor den Mann, die vegetarische Speise vor seine Begleiterin. So weit, so typisch. Aber wer von den beiden ernährt sich eigentlich gesünder? 

„Männer essen deutlich mehr Fleisch, Wurstwaren und fettige Speisen und trinken mehr Alkohol“, erklärt Ernährungswissenschafterin Marlies Gruber, „Frauen achten mehr auf Obst, Gemüse, Salat und eine kalorienbilanzierte Kost und tendieren mehr zu alkoholfreien Getränken. Allerdings essen sie mehr Süßspeisen und Schokolade. Doch in Summe lässt sich sagen, dass sich Frauen bei der Auswahl ihrer Nahrung stärker an gesundheitlichen Gesichtspunkten orientieren als Männer.“

Role Models und Erziehung

Dass der Kampf der Geschlechter seit jeher auch auf dem Teller ausgetragen wird, hat auch mit Erziehung und Geschlechterrollen zu tun. Die männlichen Helden mussten Kraft und Ausdauer besitzen und daher Fleischnahrung zu sich nehmen, während das „schwache“ Geschlecht zu „schwachen Nahrungsmitteln“ wie Getreide, Obst und Gemüse zu greifen hatte. 

Kontrolliert eine Frau, was und wieviel sie isst, kann es sich statt um ein „gesundheitsorientiertes“ Essverhalten in Wirklichkeit um ein restriktives, kontrollierendes Essverhalten handeln. Denn durch Mütter, Freundinnen und Role Models – Photoshop optimiert in sozialen Medien – lernen schon junge Frauen, sich zu zügeln oder Diäten zu halten. Die Folgen sind mitunter Heißhungerattacken oder Essstörungen. Männer haben im Gegenzug dazu traditionell ein unverkrampfteres Essverhalten. Allerdings nehmen auch bei ihnen Essstörungen und Nahrungskontrolle zu – etwa mittels Apps oder Smart Watch.

Höhere Bildung – bessere Ernährung

Und noch einen Punkt für unterschiedliches Essverhalten führt Gruber ins Rennen – die Bildung: „Wie gesund die jeweilige Ernährung ist, hängt in Summe meist weniger vom Geschlecht als vielmehr von sozioökonomischen Faktoren wie der Bildung ab. Im Allgemeinen ist die Gesamtqualität der Ernährungsweise weltweit bei besser gebildeten Erwachsenen und Kindern mit besser gebildeten Eltern höher als in Familien mit einem niedrigeren Bildungslevel.“

Seelentröster Schokolade

Keine Frau ernährt sich im Laufe ihres Lebens gleich. Nicht einmal im Laufe eines Monats. Der Grund dafür sind Hormone. Sie regeln nicht nur den weiblichen Zyklus, sondern auch Essensvorlieben und Bedürfnisse. „Mit dem monatlichen Zyklus schwankt der Hormonspiegel und damit Stimmung, Energielevel und Wohlbefinden. Das Gefühl von Unwohlsein führt dann zu einem stärkeren Wunsch nach Mood- und Comfort-Food, Seelentröster, die vor allem durch ihren Geschmack und ihre Textur punkten. Schokolade liegt daher beispielsweise bei PMS oftmals hoch im Kurs, ändert aber an den Symptomen nichts. Tatsächlich hilfreich ist dagegen eine ausgewogene, pflanzenbetonte Kost in Kombination mit genügend Schlaf und Bewegung“, so die Ernährungswissenschafterin.

Podcast: Sind Frauen anders krank? 

Medikamente wirken bei Männern und Frauen unterschiedlich – sind Frauen also anders krank? Wir sprechen in dieser Folge mit Univ. Prof.in Dr.in Strametz-Juranek über Gendermedizin. Welchen Einfluss haben unsere Biologie und das soziale Umfeld auf unsere Gesundheit? Und was hat Gendermedizin mit Männern zu tun?

Baby isst mit

Die beiden Phasen im Leben einer Frau, die besonders von Hormonen bestimmt sind, sind Schwangerschaft und Wechseljahre.

Oft heißt es, die werdende Mutter müsse für zwei essen. Das stimmt allerdings nur bedingt. Gruber: „Während dieser Zeit ist der Bedarf an etlichen Nährstoffen erhöht, der Energiebedarf allerdings nicht im selben Ausmaß. Daher ist vermehrt auf eine hohe Nährstoffdichte zu achten, wie sie durch einen vermehrten Konsum von Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Gemüse und Obst erzielt werden kann. Möglicherweise müssen jedoch Vitamine oder Spurenelemente ergänzt werden.“

Plötzlich Hüftgold

In den Wechseljahren muss zwar kein weiteres Lebewesen essenstechnisch mitversorgt werden, dennoch heißt es für Frauen auch während dieser Lebensphase, gut für sich zu sorgen. Was sich allerdings nicht über die Nahrungsmenge ausdrücken sollte. Denn mit den Jahren nimmt der Grundumsatz ab, und die gleiche Essensmenge, die früher problemlos verstoffwechselt wurde, bildet nun Hüftgold. „Wir benötigen weniger Energie dafür, dass der Organismus läuft, das Herz schlägt, die Atmung und Verdauung funktionieren, Zellen ab-, um- und aufgebaut werden. Weil die Muskelmasse graduell zurückgeht und der Fettanteil zunimmt, wird selbst im Ruhezustand weniger Energie verbraucht. Wichtig ist, spätestens in dieser Phase auf die Kalzium- und Vitamin-D-Zufuhr zu achten, um Osteoporose vorzubeugen.“, sagt Gruber.

Männer- und Frauenvitamine

Apropos Vitamine und Spurenelemente. Unterscheidet sich der Bedarf bei Männern und Frauen? Die Antwort ist ein klares „Jein“. Denn bei Natrium, Chlorid, Kalium, Calcium sowie Vitamin D und B12 ist der Bedarf für Frauen und Männer gleich. „Von Zink und Magnesium, Vitamin A, C, E und K sowie den meisten B-Vitaminen wiederum benötigen Männer generell mehr als Frauen“, erklärt die Ernährungswissenschafterin, „bei Frauen verändern Menstruation und Schwangerschaft den Bedarf. Durch die monatliche Periode benötigen Frauen im gebärfähigen Alter zum Beispiel mehr Eisen als Männer, und während Schwangerschaft und Stillzeit ist der Bedarf von einigen Nährstoffen grundlegend höher, wie etwa die B-Vitamine, Jod und ebenfalls Eisen.“

Marlies Gruber
Marlies Gruber © Wilke


Zur Person: 

Dr. Marlies Gruber ist Ernährungswissenschaftlerin und Geschäftsführerin des forum.ernährung heute – Kompetenzzentrum für Ernährung, Gesundheit und Lebensstil. Sie unterrichtet zudem als Gastdozentin an der FH St. Pölten und ist Autorin von Fach- und Sachbüchern, z. B. „Mut zum Genuss – Warum uns das gute Leben gesund und glücklich macht““ (edition a, 2015).

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