Glück durch Sinn mit Freiwilligenarbeit
Ein neues Auto, eine Shoppingtour oder ein toller Urlaub? Was macht auf Dauer glücklich? Eine der grundlegenden Antworten auf diese Frage stammt vom Wiener Psychiater Viktor Frankl – und sie hat nichts mit Konsum zu tun.
Viktor Frankl wurde 1905 in Wien geboren und beschäftigte sich schon früh in seinem Leben mit der Frage, was Menschen glücklich macht und ihnen die Kraft zum (Über)Leben gibt. Dabei kam er zur Erkenntnis: „Es gibt nichts auf der Welt, das einen Menschen so sehr befähigt, äußere Schwierigkeiten oder innere Beschwerden zu überwinden als das Bewusstsein, eine Aufgabe im Leben zu haben.“ Auch für ihn selbst galt dieser Satz, überlebte er doch als einziger seiner Familie die Konzentrationslager der Nazis und schilderte seine Erfahrungen in seinem berühmten Buch. „…und trotzdem ja zum Leben sagen“.
Therapie durch Sinnsuche
Der Neurologe und Psychiater begründete die Lehre der Logotherapie und Existenzanalyse – ein psychotherapeutisches Verfahren, das die Voraussetzungen für ein gutes, sinnvolles Leben erforscht. Logotherapie bedeutet daher Therapie durch Sinnsuche. Für Frankl erstrebt der Mensch nicht das Glücklichsein an sich, sondern den Grund zum Glücklichsein.
Etwas, das vielen Menschen unmittelbar Sinn in ihrem Leben gibt, ist das freiwillige Engagement für andere, wie auch Harald Pichler, Unternehmensberater und Lehrender am Viktor-Frankl-Institut Wien, weiß: „Warum üben Menschen ehrenamtliche Tätigkeiten aus? Weil sie dadurch Sinn erleben. Ein Sinn-Motiv erhöht die Leistungsbereitschaft effektiver und nachhaltiger als materielle Belohnungen und ist außerdem ein wirksamer Faktor für die psychische und physische Gesundheit.“
Weitere Vorteile
Wie sinnstiftende, ehrenamtliche Tätigkeit die Lebenszufriedenheit steigert, hat Sylvia Ehrenreich immer wieder in ihrer Funktion als Beraterin bei der Ehrenamtsbörse erlebt: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen ihre ehrenamtliche Tätigkeit wirklich gerne machen, sonst würden sie nicht dabeibleiben. Denn bei einer unbezahlten Tätigkeit bleiben Menschen natürlich nur, solange sie glücklich sind. Angestellte bleiben auch wegen des Einkommens.“ Sie nennt einige weitere Vorteile, die ein ehrenamtliches Engagement mit sich bringt:
- Menschen erfahren Wertschätzung, geben und bekommen Freude, können Kontakte knüpfen und neue Menschen kennenlernen.
- Sich regelmäßig zu engagieren, schafft Struktur. Etwas, das gut ist für jemanden, dem Struktur durch regelmäßige Arbeit fehlt, wie z.B. Pensionisten, arbeitslosen Menschen oder Menschen in depressiven Phasen.
- Man kann in eine andere Art von Job hineinschnuppern. Speziell für Menschen, die im sozialen Bereich arbeiten wollen, hilft ehrenamtliches Engagement festzustellen, ob diese neue Tätigkeit für sie passt.
- Es kann auch nach Mutterschaft, Krankheit oder einem seelischen Crash wie z.B. einem Burnout, ein Weg zurück in den Job sein.
- Es kann helfen, eine Leerstelle im Leben zu füllen, etwa wenn die Kinder ausgezogen sind oder der Partner verstorben ist.
- Es kann das Gefühl von Selbstwirksamkeit stärken. Gerade in Zeiten von Krisen mildert die Unterstützung anderer das Gefühl von eigener Ohnmacht.
- Es kann einen Ausgleich zur hauptberuflichen Tätigkeit bieten, z.B. körperliche Arbeit für jemanden, der sonst am PC sitzt oder durch die Identifikation mit einem Unternehmen, dessen Werte man besser teilt.
Ein paar Fragen vorab: Was passt zu mir?
Um herauszufinden, welche ehrenamtliche Tätigkeit für einen selbst passt, rät Ehrenreich, sich vorab ein paar Fragen zu stellen:
- Möchte ich Menschen unterhalten oder unterstützen (z.B. als Lesepatin für Kinder oder Besuchsdienst im Seniorenheim)?
- Möchte ich lieber handwerklich oder körperlich arbeiten (z.B. auf einem Hof bei der Ernte helfen, Liefertätigkeiten für eine der Tafeln oder bei einer Hilfsorganisation Kleider sortieren)?
- Wenn ich mit Menschen arbeiten möchte, welche Altersgruppe liegt mir? Kindergartenkinder, Volksschul- oder Teenageralter, Erwachsene mit Handicap oder alte Menschen?
- Habe ich Zeit für regelmäßiges Engagement einmal oder zweimal pro Woche oder nur punktuell, etwa den Seniorenheimausflug begleiten oder bei Kindergartenfesten aushelfen?
Habe ich mich für eine Organisation oder Tätigkeit entschieden, tauchen die nächsten Fragen auf:
- Spricht mich die Homepage an, welche Informationen vermittelt sie und welche Atmosphäre?
- Wie nehme ich die Unternehmenskultur wahr?
- Wie sind die Konditionen für die ehrenamtliche Tätigkeit?
- Wieviel Engagement wird benötigt?
- Gibt es Fahrtkostenersatz?
- Bin ich unfallversichert?
- Wo ist mein Einsatzort?
- Wie lang ist die Wegzeit?
Ehrenreich: „Jede Organisation hat ihre Vor- und Nachteile. Engagiere ich mich bei einer großen Organisation, kann es sein, dass es etwas länger dauert, bis ich mit den Abläufen vertraut bin und ich werde vielleicht nur in einem einzigen Bereich eingesetzt. Zugleich ist es auch spannend, in ein internationales Unternehmen hineinzuschnuppern. Ist es eine kleine Organisation, bin ich vermutlich viel schneller in Ablauf und Team eingebunden und habe mit vielfältigeren Aufgaben zu tun.“
Was man alles machen kann – besonders ausgefallene Ehrenämter:
Zeitpolster
Andere Menschen unterstützen und dabei ein Zeitguthaben sammeln, das man bei Bedarf selbst für Betreuung in Anspruch nehmen kann. Bis jetzt u.a. in Dornbirn, Bludenz oder im Ausseerland etabliert.
Afrika Tage
Bei diesem Festival auf der Wiener Donauinsel braucht es Helfer:innen beim Kinderschminken, wenn sich die Jüngsten in wilde Löwen oder exotische Schmetterlinge verwandeln.
Open House
Bei dieser zweitägigen Architektur-Veranstaltung werden Freiwillige für die Organisation, aber auch für Führungen durch die Locations gebraucht.
Buskers Festival
Ein Fest der Straßenkunst auf dem Karlsplatz in Wien, wo ebenfalls Freiwillige für Organisation, Infostände oder Ordnerdienste gerne gesehen sind.
IT-Engel
Senior:innen in Salzburg, die z.B. vom Tastentelefon auf ein Smartphone umsteigen möchten, vermittelt die Diakonie Freiwillige, die ihnen dabei helfen und sie coachen.
Hochbeet-Patenschaft
Die Hochbeete im Kurpark Steinach am Brenner brauchen freiwillige Helfer:innen, die im Sommer regelmäßig gießen, jäten und Unkraut zupfen.
Zoo Schönbrunn
Auch der Wiener Tiergarten braucht Helfer:innen, etwa um Spielgeräte für die Zootiere zu bauen oder um den Leiterwagerl-Verleih zu betreuen.
Rikscha Fahrer:in
Der Arbeiter-Samariter-Bund bietet Menschen, die sehschwach oder wenig mobil sind Ausfahrten per e-Rikscha an und sucht dafür sportliche Fahrer:innen.
Pflegehunde
In manchen Tierheimen können Hunde zum regelmäßigen Spazierengehen „ausgeborgt“ werden.
Plaudernetz
Eine Initiative der Caritas, bei der Menschen, die jemanden zum Zuhören brauchen und Menschen, die Zeit und ein offenes Ohr haben per Zufallsgenerator telefonisch verbunden werden.
Andere Menschen zu unterstützen, gibt dem eigenen Leben Sinn und erhöht die Lebenszufriedenheit. Wer sich ehrenamtlich engagieren möchte, hat viele Möglichkeiten, sollte sich allerdings vorab ein paar Fragen stellen, um das optimale Aufgabengebiet zu finden.
Zur Person:
Sylvia Ehrenreich ist Coach für berufliche und persönliche Entwicklung. Ihre Schwerpunkte bei ihrer Tätigkeit für Greenpeace, das Wiener Hilfswerk, PCs für Alle und anderen NGOs liegen im Aufbau von Netzwerken sowie Planung, Koordination und Monitoring von Freiwilligenarbeit. Bei der Ehrenamtsbörse unterstützte sie Interessierte, einen passenden Tätigkeitsbereich zu finden, entwickelte Projekte, um neue Aufgabengebiete für besondere Personengruppen zu schaffen und beriet Organisationen bei der Suche nach speziellen Freiwilligen.
Im UNIQA Podcast sprechen wir gemeinsam mit Expert:innen über Themen für ein besseres Leben. Mehr zu freiwilligem Engagement und warum das gerade in Zeiten von Krisen besonders wichtig ist, verrät uns Caritas Geschäftsführer Klaus Schwertner in dieser Folge. Er gibt Einblicke, welche Art von Hilfe über das Caritas Netzwerk möglich ist und wie man auch mit eingeschränkten Zeitressourcen etwas beitragen kann.